Historische Zeitreise: Die Schweiz entdeckt China
VON Claudia Göpel Allgemein Denkmalpflege
Nicht alle Menschen und nur wenige Schweizer, die nach China reisten oder gar auswanderten, haben Spuren hinterlassen, selten bauliche, die unsere Denkmalpflege interessierten könnten. Doch von einigen mutigen Leuten wurde im 17., 18. und 19. Jahrhundert stolz in den damaligen Zeitungen berichtet. Radio und Fernsehen gab es nicht und auch das Kino steckte noch in den Kinderschuhen, aber Briefe und Aufzeichnungen der abenteuerlustigen Schweizer wurden wie Trophäen in die Zeitungsredaktionen getragen. Im Archiv der NZZ ist alles nachzulesen, deshalb haben wir für Sie in uralten Zeitungsberichten gestöbert.
Albrecht Herport – der erste Schweizer in China
1661 kämpfte ein Soldat aus der Schweiz im Krieg um Formosa gegen die Anhänger der Ming-Dynastie – allerdings im Dienste der Holländer: der junge Berner Künstler Albrecht Herport (1641-1730). Ihn zog es bereits mit 18 Jahren in die Ferne – dahin, wo „Milch und Honig fliessen“. Eigentlich wollte er nur nach Indien, wo er 1658 in die Holländisch-Ostindische Kompanie eintrat, mit der er erst nach Batavia und von dort aus nach China kam. Bei der Vertreibung der Niederländer durch die Chinesen von der besetzten Insel Formosa (jetzt Taiwan) war Herport hautnah dabei, kämpfte um sein Leben und konnte nach seiner Rückkehr, neun Jahre später, anschaulich davon berichten. Seine Schriften versah er eigenhändig mit reichlichen Illustrationen. Ab 1680 hatte Herport wichtige Stadtämter in Bern inne, später war er Landvogt in Zweisimmen und Biberstein.
Johann Jakob Bossart – und der Kaiser von China
Johann Jakob Bossart aus Zug (Schweiz) stand ein paar Jahrzehnte später als Schiffsarzt im Dienste der holländischen Flotte, die noch immer versuchte, Formosa zurückzuerobern. Bei einem dieser Vorstösse machte Bossart äusserst unangenehme Erfahrungen mit dem Chinesischen Reich. Er geriet 1698 in chinesische Kriegsgefangenschaft und schmachtete monatelang in einem chinesischen Kerker. Seine Befreiung im Jahr 1699 verdankte er den Zahnschmerzen des Kaisers Kangxi. Dieser erfuhr von dem Schweizer Chirurgen im Verlies und lies ihn von seinem Kammerjunker in den Palast nach Peking bringen, damit der Schweizer Arzt ihn von seinem Leiden kuriere. „Bossarts wundersame Befreiung“ titelten 1699 die Schweizer Zeitungen.
Franz Ludwig Stadlin – Uhrmacher am Kaiserhof
Die Jesuiten brachten bis zum Ende des 18. Jahrhunderts viele Neuerungen nach China. Ein Schweizer Ordensbruder aus Zug begründete die „kaiserliche Werkstatt für Uhren und astronomische Instrumente“ am Hofe des Kaisers. Der Schweizer Uhrmacher Franz Ludwig Stadlin (1658-1740) verbrachte viele Jahre in Peking und erklärte den Chinesen sein Handwerk. Schweizer Uhren waren also bereits damals in China beliebt. Seine Ordensbrüder brachten zudem die erste Druckerpresse mit Kupferlettern nach China, mit der Kaiser Kanghi seine Staatspapiere und eine umfangreiche Enzyklopädie drucken liess. Der jesuitische Missionar August Ferdinand Haller von Hallerstein, der um 1750 für Kaiser Qianlong das Kaiserliche Astronomieamt übernahm, erwähnte dessen Begründer Franz Ludwig Stadlin in seinen Schriften.
Charles de Constant – Schweizer Verkaufsgenie
Kaiser Chien-Lung war begeistert von den mechanischen Spiel- und Uhrwerken der Europäer. Mitte des 18. Jahrhunderts entwickelte sich deshalb Poschavio im südlichen Graubünden zu einem Knotenpunkt der chinesischen Handelswege, jedoch unter englischer Herrschaft. Mit gerade einmal 17 Jahren reiste Charles de Constant (1762-1835) als jüngster Handelsattaché im Auftrag des englischen Handelsunternehmens East India Company das erste Mal nach China und führte edelsteinbesetzte Genfer Uhren mit. Schnell erkannte er, dass zum Geldverdienen keine teuren Uhren nötig waren, sondern dass weniger aufwändige Uhren auch ihren Zweck erfüllten. Der clevere Uhrenhändler erlangte mit nur drei Geschäftsreisen nach China unbeschreiblich hohe Gewinne für die englische Company und arbeitete später im Bankengewerbe in Genf. Seine historischen Aufzeichnungen geben wertvollen Aufschluss über die damaligen Handelsgepflogenheiten.
Charles-Henry Petitpierre – Freiheit und Tod
Schweizer Uhren waren im Land der Mitte begehrte Luxusgüter. Doch jahrhundertlang dominierte die englische East India Company den Export und Import Richtung Asien und verhinderte, dass die Schweizer Uhrenmacher fair an ihrer Arbeit verdienen konnten. Dieses Monopol zu untergraben, erforderte unternehmerischen Mut. Der Schweizer Uhrmacher aus Val de Travers bezahlte diesen Mut mit seinem Leben, beim Versuch, seine handgefertigten Meisterwerke auf direktem Weg in China zu verkaufen und den hohen Tribut der Engländer, die das Hoheitsrecht auf diesem Handelsweg hatten, zu umgehen. Charles-Henry Petitpierre reiste 1792 mit einer englischen Gesandtschaft nach China und kehrte nicht zurück.
Oberstes Bild: Briefmarke aus dem Jahr 1998, die schweizerische-chinesische Relation zum Thema hat. (© Neftali / Shutterstock.com)