Ausstellung zeigt Bedeutung und Funktion des Denkmals
VON Samuel Nies Ausstellung Denkmalschutz
Collection on Display zeigt im Februar 2016 unter dem Titel Momentary Monuments Werke, die sich mit der Bedeutung und Funktion des Denkmals und im weiteren Sinne mit Erinnern und Vergessen auseinandersetzen.
Das Ausstellungsformat vereint bereits bekannte Arbeiten aus der Sammlung des Migros Museum für Gegenwartskunst mit bisher wenig gezeigten Werken und Neuzugängen, die hier zum ersten Mal vorgestellt werden.
Eröffnung: Freitag, 19.02.2016, 18-21 Uhr
Besucheradresse: Limmatstrasse 270, CH-8005 Zürich
Denkmäler gehören zum historischen Inventar des europäischen Stadtraums. Aufgestellt, um Aufmerksamkeit zu erregen – und in jedem Stadtführer verzeichnet –, haben sie oft die Eigenschaft, im Alltag kaum wahrgenommen zu werden. Dennoch sind Denkmäler seit je auch Auslöser heftiger politischer und gesellschaftlicher Debatten.
Ob ein Denkmal als Zeichen für das Gedenken an eine Person oder an ein historisches Ereignis steht, wie es im 20. Jahrhundert mehrheitlich der Fall war: Ein universelles Gedenken gibt es nicht. Gedenken, Erinnern findet immer aus einer subjektiven Warte statt.
Das Denkmal ist ein Manifest bestimmter gesellschaftlicher oder politischer Gruppen im öffentlichen Raum und somit immer ideologisch aufgeladen. Es wird damit sowohl ein Geschichtsbild ausgedrückt wie auch das politisch-moralische Selbstverständnis derjenigen, die es errichtet haben. Diesen kommen die Deutungsmacht von Geschichte zu und schliesslich auch die Herrschaft über den öffentlichen Raum.
Der Umgang mit Denkmälern (von deren Auftragsstellung über deren Errichtung bis zu deren Demontierung oder Zerstörung) zeigt wie keine andere Aktion im öffentlichen Raum den Umgang mit Geschichte.
Folgerichtig führt deshalb jede grössere politische Umwälzung auch zum Ikonoklasmus: Werden Denkmäler geschleift, so ist dies Ausdruck einer grundlegenden Umdeutung von Geschichte.
Das klassische Denkmal des 18. und 19. Jahrhunderts ist eine vordemokratische Erfindung. Waren Denkmäler in Renaissance und Barock ausschliesslich Fürsten und Feldherren vorbehalten, erweiterte sich der Kreis denkmalwürdiger Personen zunehmend auch um Staatsmänner, geistliche Würdenträger, Dichter, Denker und nicht zuletzt auch Künstler. Aber nicht nur die Personen auf den Sockeln veränderten sich in dieser Zeit – es entwickelten sich auch neue Denkmaltypen, die statt an Individuen, an historische (meist kriegerische) Ereignisse und/oder an eine anonyme Masse von zu ehrenden Opfern erinnern sollte. Die formale Entwicklung verlief dabei tendenziell von einer figürlich darstellenden zu einer symbolisch abstrakten oder gar „architektonischen“ Ausführung.
Die (Kunst-)Geschichte des Denkmals in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert ist immer noch geprägt von der Spaltung der beiden Bereiche, aber ebenfalls von der ideologischen Vereinnahmung der Denkmalkultur durch den Nationalsozialismus. Diejenigen Künstler, die sich nicht ideologiekonform für staatliche Repräsentationszwecke einbinden liessen, standen dem Denkmal als solchem deshalb mehrheitlich kritisch gegenüber.
Die Generation, die in den 1950ern, 1960ern aktiv wurde, benutzte das Denkmal als Motiv, das kritisch hinterfragt, ironisiert und parodiert wurde. Seit den 1970er Jahren interessieren
sich Künstler vermehrt für Geschichte und deren Aufarbeitung und erproben Möglichkeiten, ihre Spurensuche und Recherchen in aktuelle Kunstformen zu übertragen.
Momentary Monuments vereint Werke von zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern, die sich heute mit der Erinnerung an bestimmte historische Ereignisse auseinandersetzen, die Konstruktion von Geschichtsbildern untersuchen oder sich, ausgehend vom Begriff des „Denkmals“, mit der Frage nach der Definitionsmacht von Geschichte und der Repräsentanz von Macht im öffentlichen Raum beschäftigen.
Einige Werke gehen dabei explizit vom Motiv des Denkmals aus, andere erschaffen eigene Erinnerungsbilder, die nicht als Behauptung, sondern vielmehr als Fragen im Raum stehen. Wieder
andere thematisieren, woran wir uns erinnern und woran wir nicht erinnert werden wollen – oder auch, welche ästhetischen Möglichkeiten es gibt, das Unaussprechliche zu thematisieren, ohne es illustrativ darzustellen.
Der Titel Momentary Monuments steht insofern für Kunstwerke, die keinen Ewigkeits- und Rechtsanspruch für sich reklamieren, sondern sich immer wieder aktuell mit der Vergangenheit und auch der Gegenwart auseinandersetzen und diese hinterfragen.
Artikel von: Migros-Genossenschafts-Bund Direktion Kultur und Soziales
Artikelbild: Christine Borland, L’Homme Double (The Double), 1997, Lehm, Stahl, Holz, Acryl, gerahmte Dokumente, Sammlung Migros Museum für Gegenwartskunst. © Andrew Whittuck