Isenthal – dank verschiedener Hilfe ein lebendig gebliebenes Bergdorf
VON belmedia Redaktion Allgemein Denkmalpflege
Erreichbar ist der Hof mit einer kleinen, privaten Gondel. Kollegen, denen ich später Fotos zeigte, fragten: Hattest du da keine Angst? Wie fühlt sich das an, alleine in so einem „Ding“ zu sitzen?
Angst habe ich in Gondeln nie, wieso auch. Für etliche Familien gehört die Benutzung so einer kleinen, offenen, privaten Seilbahn zum ganz normalen Alltag. Die Kinder nutzen sie sogar täglich, um in die Schule zu gelangen. Wie ich mich gefühlt habe? Ich erinnere mich vor allem an den Duft der Wälder und der würzigen Alpwiesen: Ich fühlte mich glücklich inmitten der stillen Bergwelt.
Als ich neulich einen Artikel sah, in welchem es hiess, dass auch Seilbahnen ebenso wie Skilifte und Standseilbahnen zu technischen Denkmälern zählen könnten, fiel mir sofort diese Gondel ein. Von ca. 3000 Seilbahnanlagen in der Schweiz sind im Moment etwa 130 ins Inventar der Güter von „besonderer kulturhistorischer oder technischer Bedeutung“ aufgenommen worden. Private Besitzer haben aber, wie ich las, nichts zu befürchten. Mal abgesehen davon, glaube ich auch nicht, dass ein Abbruch geplant wäre, wo doch die Gondel als einzige Möglichkeit ins Tal und wieder nach Hause zu gelangen, benötigt wird.
Istenhal erreicht man durch ein Seitental am westlichen Ufer des Urnersees. Wer der Strasse, welche nach Isenthal führt, vor der Abzweigung etwas weiter in Richtung Bauen folgt, kann ein Zeugnis der Zentralschweizer Industriegeschichte besichtigen: Die 1851 errichtete Papierfabrik ist bis heute das älteste erhalten gebliebene Fabrikgebäude im Kanton Uri. Mit vielen Kurven, streckenweise ziemlich schmal, führt die Strasse das Tal hoch. Bevor 1901 die Fahrstrasse gebaut wurde, lebten die Isenthaler Bergbauern sehr abgeschieden. Ein Trampelpfad, der steil und zudem äusserst gefahrvoll war, stellte die einzige Verbindung runter zum Urnersee dar.
Isenthal zählt zu den finanzschwächsten Gemeinden des Kantons und ist ein Beispiel dafür, dass auch im Inland Solidarität und Projekthilfe gefragt sind! 1997 stellte die Stadt Zürich den Betrag von 100‘000 Franken für Schutznetze zur Verfügung, welche nun die Bewohner, ihre Tiere und ihr Zuhause vor den immer wieder auftretenden Steinschlägen schützen. Die Gesamtkosten der Hilfe für das Tal betrugen rund 1.9 Millionen Franken. Schon in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts war ein steter Bevölkerungsrückgang im Ort zu verzeichnen. Deshalb mussten Fragen zur Zukunftsgestaltung geklärt und verschiedene Projekte angepackt werden, sollte nicht auch Isenthal wie viele andere Bergdörfer vom Aussterben betroffen sein.
In Isenthal konnte in den letzten Jahrzehnten die Abwanderung gestoppt und das Leben im Dorf attraktiver gestaltet werden. So wurden eine neue Turnhalle und ein Sportplatz erstellt, Schul- und Gemeindehaus renoviert und umgebaut, es gab eine neue Abwasseranlage. Die Gemeindestrassen wurden ausgebaut. Ausserdem renovierte man 1990 die unter Denkmalschutz stehende Kirche, die Kapelle und den Pfarrhof. Die 1821 eingeweihte Kirche ist das Wahrzeichen des Isenthals und wurde dem heiligen St. Theodul geweiht. Die Pläne für dieses Gotteshaus im spätklassizistischen Stil stammen vom Einsiedler Klosterbruder Jakob Natter.
Um St. Theodul ranken sich verschiedene Legenden. Historisch nachgewiesen ist, dass er der erste Bischof von Sion war. Es heisst, er konnte mit einer einzigen Weintraube bei Missernten den Winzern ein ganzes Fass füllen. Auch soll er ein Kind, welches ertrunken war, wieder zum Leben erweckt haben. Wenn am 16. August jeweils sein Gedenktag gefeiert wird, verehrt ihn nicht nur das Bistum Sitten. Im ganzen Alpenraum ist er ein geschätzter Kirchenpatron.
Eine schmale Strasse führt aus dem Dorf hinaus und durch das enge Grosstal bis zur Häusergruppe St. Jakob. Leicht erhöht über der Strasse steht die 1861/1862 erbaute gleichnamige Kapelle, die dem heiligen Jakob gewidmet ist. Der Innenraum wurde 1921 renoviert, die gesamte Kapelle zuletzt 1996. Sie liegt an einem zauberhaften Platz, umgeben von den schneebedeckten Bergen und wird rege genutzt: Regelmässig finden hier Hochzeiten und Gedenkgottesdienste statt. Im Sommer, wenn die Alpen bewirtschaftet sind, treffen sich die Älpler jeweils am Sonntagabend zur Messe.
Zu den bedeutenden Zeugen bäuerlichen Lebens in der Zentralschweiz gehören natürlich auch die typischen Bauernhäuser. Es ist im Interesse von Natur- und Heimatschutz sowie der Denkmalpflege, schützenswerte Kulturobjekte sowie Naturlandschaften und Bauten zu erhalten, und dazu gehören auch viele der schmucken alten Bauernhäuser. Wenn der Besitzer seines jedoch nicht mehr erhalten möchte oder kann und den Platz, auf dem es steht, anderweitig nutzen möchte, muss eine für alle Beteiligten passende Lösung gefunden werden. Nicht immer gelingt dies so perfekt, wie im Fall vom Haus Wyssig im Isenthal:
Der Eigentümer plante einen Neubau. Das wunderschöne Blockhaus ist jedoch ein typischer Zeitzeuge und ein Abbruch war undenkbar. Der Heimatschutz entschied sich, das Haus innerhalb des Dorfes umzusetzen. Es wurde fachgerecht auseinandergenommen und im Dorfzentrum wieder aufgebaut. Kanton und Bund beteiligten sich finanziell an dieser Aktion und heute hat eine junge Familie in dem alten Bauernhaus ein neues Zuhause gefunden.
Wie oft schon haben wir beim Wandern in einer solch wildromantischen Gegend wie dem Isenthal gedacht, dass die Leute hier doch alle glücklich sein müssen und kaum Probleme haben. Oder man steht vor einem solch wunderschönen Haus wie dem Bauernhaus Wyssig und denkt, dass es schön wäre, auch so zu wohnen. Wie beschwerlich aber mitunter das Leben in den Bergdörfern ist, das wird gern übersehen. Und doch sind die Menschen verwurzelt und würden ihre Heimat gegen nichts tauschen wollen. Das spürte ich auch bei meinem Bergbauerneinsatz. Hier wurde von früh bis abends gearbeitet. Pause gab es nur zur Mittagszeit. Klagen hörte ich nie!
Als ich sah, dass selbst die Jüngsten schon feste mit anpackten, bestand auch mein Alltag nicht mehr nur noch aus Kochen, Putzen und Spielen. Bald schleppte auch ich Milchkannen aus dem Stall oder half beim Steine sammeln am Steilhang. Abends fiel ich todmüde ins Bett, der Wind strich ums Haus und lies die Holzbalken knarren. Alte Fotos hingen an den Wänden. Es war für mich wie eine Zeitreise. Am frühen Morgen raschelte es unter dem Fenster: Gämsen und Hirsche weideten hinter dem Bauernhaus.
Sie alle kennen den Spruch: „Gut gibt’s die Schweizer Bauern“.
Gut aber auch, dass Natur-, Heimat- und Denkmalschutz dafür sorgen, dass die alten Dorfbilder erhalten werden und die Bergdörfer für die nächsten Generationen attraktiv bleiben.
Oberstes Bild: Ortschaft Isenthal im Isental auf der Westseite des Urnersees im Kanton Uri. (Manfred Heyde, Wikimedia, CC)