Denkmalpflege im Interessenkonflikt

Oft liegen Welten zwischen öffentlichen und privaten Ansprüchen. Die Denkmalpfleger möchten das Objekt schützen und bewahren, meist mit Auflagen und Einschränkungen, die Eigentümer wollen es nutzen – und fühlen sich vom Denkmalschutz gegängelt.

In der Schweiz sind über 200’000 Wohngebäude geschützt. Hinzu kommen Baudenkmäler wie Kirchen, Burgen, Stadtmauern und Türme sowie technische Denkmäler, Naturdenkmäler und Gartendenkmäler. Wenn an, unter oder neben einem denkmalgeschützten Objekt gebaut werden soll, entstehen oft Konflikte. Das Schutzanliegen der Denkmalpflege steht dann den Nutzungswünschen der Eigentümer im Weg, zum Beispiel wenn diese unter ihrer denkmalgeschützten Gartenanlage eine Tiefgarage bauen wollen.

Kulturgütererhaltung in der Schweiz

Die Kulturgütererhaltung der Schweiz orientiert sich an den sich rasch verändernden internationalen Entwicklungen von Kultur, Gesellschaft und Wirtschaft und ist sehr um eine ganzheitliche Sicht bemüht. Leider gibt es bei uns keine klare Rechtsdefinition, welche Objekte warum und vor allem wie zu schützen sind. Manchmal verpufft das Schutzanliegen auf dem Verwaltungsweg. Expertengutachten spielen deshalb eine grosse Rolle, um Licht in das Dunkel einiger Bauwerke zu bringen, bevor sie zur Ruine werden. Die Kosten hierfür trägt der Bund.

Professor Bernhard Ehrenzeller ist seit 1998 Direktor des Instituts für Rechtswissenschaft und Rechtspraxis der Universität St. Gallen und setzt sich seit Jahren für die Anliegen der Denkmalpflege ein. Auf Tagungen spricht Ehrenzeller über die Wirkung von Fachgutachten, die rechtlichen Aspekte und über das Zusammenspiel dieser Elemente zum Wohl der Gesellschaft und der Denkmäler. Er selbst lebt mit seiner Familie in einer ruhigen Wohnsiedlung am Rande von St. Gallen in einem Einfamilienhaus mit wunderschönem Garten – übrigens kein Denkmal.

Die Wurzeln der Denkmalpflege

In der Schweiz wurde die Denkmalpflege 1887 auf Bundesebene eingeführt, erst in den 50er-Jahren auf kantonaler Ebene. Die kollektive Erinnerung wachzuhalten sei das wichtigste Motiv, um Denkmäler zu schützen, meint Ehrenzeller. Die Wurzeln der Denkmalpflege können auf die Zeit um 1800 datiert werden, als während der Französischen Revolution der adlige Immobilienbesitz freigesetzt wurde. Kriegerische Unruhen waren und sind immer eine Gefahr für historische Bauten. Der gemeinsame Wille der Völker, diese Bauwerke zu schützen, wird deshalb in Konventionen festgehalten, zum Beispiel in der Haager Konvention von 1954.

Für die Praxis, also für die aktive Denkmalpflege, sind die Empfehlungen internationaler Fachgruppierungen wie ICOMOS und UNESCO noch wichtiger. Die 1964 entwickelte Charta von Venedig gilt als international anerkannte Richtlinie der Denkmalpflege. Auf diesem Schriftsatz basieren die nachfolgenden Übereinkommen zum Schutz der Weltkulturgüter (1972), des baugeschichtlichen Erbes (1985) sowie des archäologischen Erbes (1992). Die Schweiz hat sie alle unterzeichnet.

Wie sehen Interessenkonflikte aus?

Oft fehlt schlicht und einfach das Geld. Privatpersonen können die hohen Kosten für die Erhaltung und Restauration ihres denkmalgeschützten Hauses nicht aufbringen. Dann helfen Stiftungen und öffentliche Fördermittel, um die Wünsche der Denkmalpfleger durchsetzen zu können. Dem Vorhaben gehen jedoch oft langwierige gerichtliche Auseinandersetzungen voraus. Nicht jeder Haus- und Grundeigentümer versteht, dass das Erbe seiner Familie auch das Erbe eines ganzen Landes ist. Nachfolgend lesen Sie zwei Beispiele von Streitfällen zwischen Denkmalpflege und Eigentümer. Ob gelungen oder missglückt, kommt auf die Sichtweise an.



Der Badische Bahnhof in Basel

Teile des Basler Badischen Bahnhofs sollten in ein Einkaufs- und Dienstleistungszentrum umgewandelt werden. So wollte es der Eigentümer, die Deutsche Bahn (DB). Bei jedem Bauvorhaben müssen Anträge gestellt und Vorschriften eingehalten werden. Das Bahnhofsgebäude steht jedoch unter kantonalem Denkmalschutz. Nicht immer bekommen die Denkmalschützer auf ganzer Ebene Recht, weil wirtschaftliche Interessen dem denkmalpflegerischen Ansinnen entgegenstehen. Der Streit um das Bauvorhaben ging in diesem Fall bis in die dritte Instanz.

Das Bundesgericht fand einen Kompromiss, mit dem beide Parteien mehr oder weniger zufrieden sein konnten oder mussten. Das Gericht entschied, dass nicht das gesamte Objekt, sondern nur Teile davon zu bewahren seien. Damit konnte der Eigentümer, die Deutsche Bahn, das Gebäude entkernen, nur die Fassade und einige Innenräume mussten erhalten bleiben. Zahlreiche Gutachter und Rekurrenten wurden für den Entscheid in Anspruch genommen. Die Kosten für den Prozess hätten sinnvoller in den Erhalt des gesamten Bauwerkes investiert werden können.


Der Badische Bahnhof in Basel (Bild: (WT-shared) Túrelio, WIkimedia, CC)


Hochstudbau aus Holz und Stroh

Stroh ist offensichtlich keineswegs ein billiges Baumaterial, wie der Streit um ein erhaltungswürdiges Strohhaus in Muri im Kanton Aargau beweist. Das Gericht musste die Verhältnismässigkeit der Unterschutzstellung beurteilen. Ein Gutachten befürwortete zwar das öffentliche Interesse an dem Gebäude, das Gericht gab trotzdem dem Eigentümer Recht, für den eine denkmalgerechte Instandsetzung der maroden Bausubstanz und der feuchten Wände unzumutbare Kosten bedeutet hätte. Für die Bewilligung öffentlicher Fördermittel gab es jedoch ebenfalls keine rechtliche Grundlage.


Bauweise eines Strohhauses (Bild: Colin Rose, Wikimedia, CC)


In Muri werden seit einigen Jahren Häuser aus Strohballen gebaut. Diese Technik stammt aus den USA, wo seit 1900 schnell, kostengünstig und effizient Häuser aus Holz mit Strohballen als Dämmung errichtet werden. Sie sind keineswegs für die Ewigkeit gedacht, weshalb die Instandsetzung eines knapp 100 Jahre alten Hauses in Hochstudbauweise nicht zu realisieren wäre. Im oben genannten Fallbeispiel hat demnach die Denkmalpflege das Nachsehen gehabt. Nicht alles, was alt ist, kann geschützt werden.

 

Oberstes Bild: Oft In Sachen Denkmalschutz liegen oft Welten zwischen öffentlichen und privaten Ansprüchen. (© Mathias Richter / Shutterstock.com)

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Mehr zu Claudia Göpel

Als gelernte Zahntechnikerin schreibe ich exzellent recherchierte Texte rund um die Themen Zahnmedizin, Allgemeinmedizin, Geriatrie und Gesundheit.
Sie profitieren mit mir als Auftragstexterin zudem von einem reichen Erfahrungsschatz in den Berufsbereichen Gastronomie, Kultur und Recht. Blog- und Fachartikel über Kinder, Tiere (Hunde, Katzen, Vögel, Fische, Reptilien, Kleinsäuger, Vogelspinnen), Pflanzen, Mode, Möbel und Denkmalschutz schreibe ich ebenfalls mit Begeisterung und reichlich Hintergrundwissen.
Zum Ausgleich verfasse ich in meiner Freizeit Kriminalstorys sowie erotische Kurzgeschichten, die unter dem Pseudonym Anastasia in zahlreichen Büchern und Erotik-Magazinen veröffentlicht sind. Ausserdem bin ich seit vielen Jahren ehrenamtlich als Klinikclown für kranke Kinder in deutschen Krankenhäusern und Hospizen aktiv.

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