Leise rieselt der Sandstein – in Bern haben Steinmetze alle Hände voll zu tun

An den europäischen Denkmaltagen, die in diesem Jahr unter dem kulinarischen Motto „A table, Zu Tisch, A tavola“ stehen, wollen die Denkmalpfleger der Stadt Bern diesmal nicht nur die schönen Seiten perfekt restaurierter historischer Gebäude in Szene setzen, sondern auch auf die Probleme verweisen, die das Arbeiten mit dem sensiblen Baustoff Sandstein mit sich bringt.

Bern ist auf und aus Stein gebaut. Wenn man genauer hinschaut, könnte man meinen, die Stadt Bern wäre auf Sand gebaut. Sandstein ist das Mass aller Dinge. Das Berufsbild der Steinmetze hat sich in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt, denn der Lieblingsbaustoff der alten Ägypter und Römer kommt in die Jahre und zeigt unübersehbare Verschleisserscheinungen. Die alte Münsterbauhütte am Berner Münster ist für das Publikum geöffnet und zeigt anschaulich die moderne Arbeitsweise der Restauratoren.


An der Bushaltestelle Zollgasse aufgestellte Zahnradlokomotive mit Wagen, die von 1876 bis 1902 Sandsteine aus den Brüchen in die Station Ostermundigen transportierte. (Bild: Erich Iseli, Wikimeddia, GNU)


Von der Holzstadt zur Steinstadt

Nach dem grossen Stadtbrand 1405, bei dem die meisten Holzhäuser der Stadt in Flammen aufgingen, verwandelte sich Bern allmählich von der ehemaligen Holz- zur Steinstadt. Als Brandschutzmassnahme wurden von den Stadtoberen ab sofort Fassaden aus Sandstein vorgeschrieben. Sandstein ist ein wunderbarer Baustoff. Steinmetze lieben ihn, weil er sich leicht bearbeiten und modellieren lässt. Bildhauer fertigen Skulpturen und Monumente aus dem Werkstoff. Doch das Sedimentgestein verwittert leicht. Es reagiert besonders empfindlich auf Luftverschmutzungen sowie Frost, Starkregen, Hagel, Taubenkot und Farbe. Als Fassadenverkleidung ist Sandstein in der Berner Altstadt allgegenwärtig. Die Münstergasse ist ein Paradebeispiel gelungener Denkmalpflege.


Die Münstergasse in Bern (Bild: Andrew Bossi, Wikimedia, CC)


So arbeiten die Steinmetze heute

Die Zunftgesellschaft „Zum Affen“ gehört zu den ältesten Handwerkergesellschaften der Stadt Bern und existiert bereits seit 1321. Das Hauszeichen am Zunfthaus in der Kramgasse ist ein roter Affe, der ein typisches Halstuch trägt und ein Haubeil schultert. Die Arbeitsmaterialien heutiger Steinhauer und Steinmetze, die für die Denkmalpflege tätig sind, sind deutlich kleiner. Ein Steinmetz ist gleichzeitig ein Restaurator und Stuckateur, schlicht ein Künstler und Bewahrer am Stein – oft in luftiger Höhe. Die Werkstätten der Steinmetze sehen inzwischen aus wie Bastelstuben oder Chemielabore. Hier finden sich Sand, Granulate, Lösungen, Mörtelzutaten – alles in kleiner Abmessung und direkt für den jeweiligen Schaden dosiert und gemischt.

Die Schäden am Sandstein sind allgegenwärtig. Wenn die Steinmetze und Restauratoren zum Beispiel mit den Ausbesserungsarbeiten an der Berner Münster-Fassade auf einer Seite fertig sind, beginnen sie auf einer anderen von vorn. Die Berner Münsterbauhütte, die im Mittelalter geschlossen und 1881 wieder reaktiviert wurde, gilt inzwischen als Fachzentrum von europäischer Bedeutung. Der Beruf des Steinmetzes hat sich stark verändert. Früher wurden verwitterte Sandstein-Fassadenteile im Ganzen ausgewechselt. Heute sind Spachtel und Mörtel die wichtigsten Arbeitsmittel der Steinmetze. Die Meister und Gesellen der Zunft „Zum Affen“ versuchen, nach Möglichkeit die Originalteile zu reparieren.

 

Oberstes Bild: Hauptportal vom Berner Münster – Sandsteinskulpturen stellen die klugen Jungfrauen dar. (© Thomas Luethi, Wikimedia, GNU)

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Mehr zu Claudia Göpel

Als gelernte Zahntechnikerin schreibe ich exzellent recherchierte Texte rund um die Themen Zahnmedizin, Allgemeinmedizin, Geriatrie und Gesundheit.
Sie profitieren mit mir als Auftragstexterin zudem von einem reichen Erfahrungsschatz in den Berufsbereichen Gastronomie, Kultur und Recht. Blog- und Fachartikel über Kinder, Tiere (Hunde, Katzen, Vögel, Fische, Reptilien, Kleinsäuger, Vogelspinnen), Pflanzen, Mode, Möbel und Denkmalschutz schreibe ich ebenfalls mit Begeisterung und reichlich Hintergrundwissen.
Zum Ausgleich verfasse ich in meiner Freizeit Kriminalstorys sowie erotische Kurzgeschichten, die unter dem Pseudonym Anastasia in zahlreichen Büchern und Erotik-Magazinen veröffentlicht sind. Ausserdem bin ich seit vielen Jahren ehrenamtlich als Klinikclown für kranke Kinder in deutschen Krankenhäusern und Hospizen aktiv.

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