Das Grossmünster in Zürich - von einer Legende zum Wahrzeichen (Teil 1)

Das Grossmünster in Zürich war bis zum Beginn der Reformation eine katholische Pfarrkirche und gehörte zu einem weltlichen Chorherrenstift. Ihre Schutzpatrone sind die Heiligen Felix und Regula sowie der Heilige Exuperantius. Mit ihren charakteristischen und markanten Zwillingstürmen gehört sie zu den Wahrzeichen der Stadt. Ursprünglich hiess sie einfach nur Zürcher Kirche. Der Name Grossmünster taucht erstmals im Jahr 1322 auf – wahrscheinlich, um sie sprachlich vom kleineren Fraumünster abzugrenzen.

Das Grossmünster hat eine interessante Gründungslegende, die schriftlich zum ersten Mal im 8. Jahrhundert nachgewiesen ist. Felix und Regula waren Mitglieder der sogenannten Thebäischen Legion, einem Teil der römischen Armee. Die Legion trat im 3. Jahrhundert angeblich geschlossen zum Christentum über und wurde – weil sie sich weigerte, gegen „christliche Brüder“ zu kämpfen – komplett hingerichtet. Wahrscheinlich gehört aber auch diese Geschichte in den Bereich der Legenden. Von Althistorikern wird sie jedenfalls fast durchweg bestritten.


Dies ist ein Bericht über Das Grossmünster in Zürich in zwei Teilen:

Teil 1: Das Grossmünster in Zürich – von einer Legende zum Wahrzeichen

Teil 2: Das Grossmünster in Zürich – von einer Legende zum Wahrzeichen


Ausschnitt aus dem ehemaligen Altarbild der Zwölfbotenkapelle im Grossmünster in Zürich: Martyrium der Zürcher Stadtheiligen Felix und Regula sowie ihres Dieners Exuperantius (Bild: Hans Leu der Ältere, Wikimedia)


Exuperantius soll ein Diener von Felix und Regula gewesen sein. Nach der Hinrichtung trug er seinen Kopf noch 40 Ellen am Limmatufer hinauf, bevor er sich niederkniete und verschied. Felix und Regula folgten ihm und starben an der gleichen Stelle, wo alle drei dann auch bestattet wurden. Die Legende besagt weiter, dass Karl der Grosse die Gräber wiederentdeckt hat. Bei der Verfolgung eines Hirschs sei sein Pferd plötzlich niedergekniet, um die Grabstätte der Heiligen zu ehren. Daraufhin liess Karl die Gebeine ausgraben und gründete zu Ehren der drei Märtyrer die Propstei und die Kirche. Wallfahrten zu den Gräbern der Schutzpatrone hat es aber wahrscheinlich schon zu früheren Zeiten gegeben. Bis zur Reformation konnten Pilger die Gräber in der Zwölfbotenkapelle besichtigen, in der auch Reliquien von Karl aufbewahrt wurden, die im Jahr 1233 nach Zürich gelangten.

Rekonstruktionszeichnung des Grossmünsters in Zürich Mitte des 15. Jahrhunderts, vor dem Umbau zurzeit von Hans Waldmann. (Bild: Johann Rudolf Rahn, Wikimedia)


Im Mittelalter war die Propstei neben der Konstanzer Kathedrale das wichtigste Stift im damaligen Bistum Konstanz. Als Reichsstift besass es zahlreiche Privilegien sowie umfangreiche Güter und Ländereien. Nach der Reformation gingen die Gerichts- und Vogtrechte auf die Stadt Zürich über, während der Grundbesitz bis zur Aufhebung des Stifts 1832 beim Grossmünster verblieb. Die Gebäude in der Stadt wurden danach verkauft und 1849 abgerissen.

In den 1930er Jahren wurden während Renovationsarbeiten Reste eines Vorgängerbaus entdeckt, die wahrscheinlich aus dem 11. Jahrhundert stammen. Der heutige romanische Bau wurde etwa um 1100 begonnen und 1220 fertiggestellt, wobei ein schrittweiser Abriss des Vorgängers erfolgte. Insgesamt vollzog sich die Errichtung der Kirche in sechs Etappen. Dabei kam es immer wieder zu Änderungen des ursprünglichen Plans, weil neue Architekturstile Einfluss gewannen. Zwischen 1487 und 1492 brachte man die beiden Türme auf gleiche Höhe und versah sie mit Nadelhelmen.

Weitere Veränderungen erfolgten während der Reformationszeit. Der Reformator Huldrych Zwingli sorgte dafür, dass der Zürcher Stadtrat 1524 alle Altarbilder entfernen liess. Zwei Jahre später wurde vor dem Chor ein Kanzellettner aus Überresten zerstörter Altäre der anderen Zürcher Kirchen errichtet. Auch die Reliquien der Heiligen Felix und Regula wurden aus der Zwölfbotenkapelle entfernt.

Nachdem im August 1763 ein Blitz den Glockenturm zerstört und den schindelgedeckten Spitzhelm entzündet hatte, blieb der Turm für mehrere Jahre eine Ruine. Pläne für einen kompletten Neubau des Grossmünsters wurden allerdings durch den Widerstand des damaligen Pfarrers verhindert. Zwischen 1781 und 1787 entstanden schliesslich die gegenwärtigen Turmspitzen im Stil der Neugotik. Das romanische Glockengeschoss des Nordturms wurde abgetragen und genauso gestaltet wie der Südturm, dazu bekamen beide Türme jeweils eine Wächterstube.


Grossmünster, Helmhaus und Wasserkirche in Zürich 1770 (Bild: Johann Balthasar Bullinger, Wikimedia)


Auch der Innenraum des Grossmünsters wurde ab 1845 umfassend neugestaltet. Das aussen liegende Treppenhaus zu den Emporen am Nordportal wurde in die Zwölfbotenkapelle verlegt und der Lettner abgerissen. Bis 1897 entfernte man sämtliche Stuckaturen der Barockzeit. Nach dem Verständnis von Denkmalpflege im 19. Jahrhundert sollte das Grossmünster wieder komplett sein romanisches Erscheinungsbild zurückerhalten. Allerdings wurde dabei einiges an jüngerer Bausubstanz zerstört.

Der Abschluss der Renovation und gleichzeitigen Rekonstruktion erfolgte durch Gustav Gull und Hermann Fietz in den Jahren 1913 bis 1915. Zwischen 1931 und 1936 wurde die Aussenhülle gründlich saniert, und die Türme erfuhren eine leichte Veränderung, die aber 1989/90 wieder rückgängig gemacht wurde.

Ein typisches Merkmal für den deutschen Kirchenbau der Romanik ist die Westfassade, die kein Portal aufweist. Sie wird geprägt von den beiden quaderförmigen Türmen. Der südliche zeigt eine Sitzfigur von Kaiser Karl dem Grossen, der nördliche ein Relief mit einer Darstellung des Reformators Heinrich Bullinger sowie in luftiger Höhe ein Pferd mit Reiter. Hierbei handelt es sich angeblich um das älteste Reiterabbild nördlich der Alpen. Es stammt aus der Zeit um 1180 und ist wahrscheinlich ein Signum für die Herrschaft von Berchthod IV. von Zähringen, dem damaligen Stadtherrn von Zürich.


Grossmünster in Zürich (Bild: Ximeg, Wikimedia, CC)


Die Hauptfassade mit dem Hauptportal in Triumphbogenmanier liegt in Richtung Norden. Allerdings ist hier nur noch wenig von der Originalsubstanz aus romanischer Zeit erhalten.

Das linke Kapitell wird von einer Figur König Davids mit einem Instrument verziert. Die Bronzetür von Otto Münch stammt aus dem Jahr 1950 und zeigt diverse Geschichten aus der Bibel. Von Münch stammt auch die Tür an der Südfassade mit Illustrationen der Reformationszeit. Das Nordportal markiert gleichzeitig den Beginn eines Prozessionswegs von den Heiligengräbern bis hin zu ihren Reliquien im nahe gelegenen Fraumünster.

 

Oberstes Bild: Zürcher Grossmünster am Abend (© Balint Koch, Wikimedia, CC)

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hat Germanistik, Geschichte und Philosophie studiert und ist zusätzlich ausgebildeter Mediendesigner im Segment Druck. Er schreibt seit über 30 Jahren belletristische Texte und seit rund zwei Jahrzehnten für Auftraggeber aus den unterschiedlichsten Branchen.

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