Schloss Lenzburg

Unter den Höhenburgen der Schweiz zählt Schloss Lenzburg im Kanton Aargau zu den wichtigsten und ältesten. Es erhebt sich auf einem rund 500 Meter hohen, kreisförmigen Molassehügel mit einem Durchmesser von gerade mal 250 Metern. Die frühesten noch erhaltenen Teile des Schlosses, das Stammsitz der Grafen von Lenzburg war, stammen aus dem 11. Jahrhundert.

Später gelangte es abwechselnd in den Besitz der Staufer, Kyburger sowie Habsburger. Weitere 350 Jahre sassen hier die Berner Landvögte, bevor es in Privatbesitz gelangte. In den 1950er Jahren kaufte der Kanton das Schloss. Heute zeigt das Museum Aargau seine Sammlungen und sorgt dafür, dass der historisch bedeutende Bau auch im Sinne der Denkmalpflege erhalten wird.


Ansicht von Schloss und Stadt Lenzburg, Aquarell, 1830 (Bild: Staatsarchiv des Kantons Aargau, Wikimedia)


Bei Ausgrabungen am Fuss des Schlossbergs wurden 1959 mehrere Gräber aus der Jungsteinzeit frei gelegt, was beweist, dass der Hügel und seine Umgebung schon in prähistorischer Zeit besiedelt waren. Auch Römer und Alemannen haben hier ihre Spuren hinterlassen. Zur Gründung der Burg gibt es eine alte Sage. Ihr zufolge hauste einst ein Drache in einer Höhle des Berges, der von den beiden Rittern Guntram und Wolfram getötet wurde. Die umliegenden Bauern ernannten die beiden daraufhin zu Grafen von Lenzburg und erteilten ihnen die Erlaubnis, eine Burg zu errichten.

Der Drache ist historisch nicht belegt, aber eine Urkunde erwähnt im Jahr 1036 einen Grafen Ulrich im Aargau. 1077 taucht der erste Beleg für die Existenz einer Wehranlage auf. Ein anderer Ulrich, Enkel des Ersteren, vertrat während des Investiturstreits die Interessen des deutschen Kaisers und hielt zwei Papstgesandte hier gefangen. Nach dem Aussterben des Adelsgeschlechts kam Lenzburg durch einen Entscheid des Kaisers Barbarossa in den Besitz seines Sohnes, dem damaligen Pfalzgrafen von Burgund. Auf die Staufer folgten um 1230 die Kyburger.

Sie gründeten eine Marktsiedlung, aus der die heutige Stadt Lenzburg hervorging. Da der letzte Kyburger Graf, Hartmann, ohne männlichen Erben verstarb, wechselte das Schloss über eine Heirat der Erbin Anna von Kyburg in die Hände der Habsburger. In der Zeit nach 1275 verlor die Burg jedoch ihre Bedeutung und diente lediglich als ein regionaler Verwaltungssitz.

Zwischen 1369 und 1442 gehörte das Burglehen verschiedenen Besitzern, bis die Stadt Bern es erwarb. Zwei Jahre später zog der erste Berner Landvogt ein. Unter den Landvögten erfuhr die Anlage umfangreiche bauliche Veränderungen, nicht zuletzt auch wegen eines Grossbrandes im Jahr 1518.


Schloss Lenzburg, Ansicht von Norden (Bild: Roland Zumbühl, Wikimedia, CC)


Der Versuch, im 17. Jahrhundert aus Schloss Lenzburg eine massive Festung zu machen, scheiterte nach einigen Vorarbeiten aus Geldmangel. Im 18. Jahrhundert wandelte Bern die Anlage in ein gewaltiges Kornlager um. Einzeln stehende Gebäude wurden miteinander verbunden und teilweise entkernt. Auf diese Weise entstand Platz für etwa 5000 Tonnen Getreide.

Die Revolution in Frankreich und die anschliessende Herrschaft Napoleons hinterliessen auch in Lenzburg ihre Folgen. 1798 übergab der letzte Landvogt den Besitz französischen Truppen. Nach der Gründung des Kantons Aargau 1803 ging das Schloss in dessen Hände, blieb aber die nächsten 20 Jahre ungenutzt. Es folgten verschiedene Pächter und private Eigentümer, darunter der Vater des Schriftstellers Frank Wedekind. Eine 1956 gegründete, gemeinsame Stiftung der Stadt Lenzburg und des Kantons übernahm schliesslich das Schloss, um es der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Nach einer Komplettsanierung zwischen 1978 und 1986, an der auch die Denkmalpflege beteiligt war, beschloss die Kantonsverwaltung die Verlegung der kulturgeschichtlichen Sammlung nach Lenzburg und die Gründung des Historischen Museums. Seit 2007 trägt es den Namen „Museum Aargau“. Zudem entstand nach der Sanierung im südwestlichen Teil des Geländes eine Gartenanlage, geprägt vom französischen Stil.


Schloss Lenzburg aus der Luft (Bild: Boehlich, Wikimedia, CC)


Das Museum ist für Besucher während der Monate April bis Oktober zugänglich. Allerdings kann man nicht mit dem Auto heranfahren, sondern es nur von einem Parkplatz aus zu Fuss erreichen. Das Museum gliedert sich in fünf unterschiedliche Bereiche. Die Waffengalerie zeigt Waffen aus der Zeit des Spätmittelalters bis ins 18. Jahrhundert, darunter als wertvollste Exemplare zwei Schwerter, die in der Schlacht von Sempach im Jahr 1386 eingesetzt wurden.

Das Wohnmuseum gibt einen Überblick über die Wohnkultur des späten Mittelalters, der Renaissance, des Barock und der Neuzeit bis etwa 1900. In der Abteilung „Glaube, Andacht, Kunst“ werden sakrale Kunst- und Kunsthandwerke aus dem Kanton präsentiert. Die Esskultur des 18. Jahrhunderts zeigt die Abteilung Tafelkultur und Aargauer Silber mit zahlreichen Gedecken und wertvollem Silbergeschirr. Und für die Kleinen gibt es im Dachgeschoss der Landvogtei ein Kindermuseum.

Die heutige Nutzung als Museum zeigt nicht nur auf gelungene Weise die Ausstellung kultureller Gepflogenheiten im Aargau über mehrere Jahrhunderte, sondern sichert auch den angemessenen Unterhalt von Schloss Lenzburg im Sinne der Denkmalpflege bis weit in die Zukunft. Das Museum sieht sich als Stätte menschlicher Begegnung und geistiger Auseinandersetzung mit der aargauischen und schweizerischen Geschichte. In diesem Sinne wurde es nach dem Diplomaten Philipp Albert Stapfer (1766-1840), der im Aargau geboren wurde.

 

Oberstes Bild: Schloss Lenzburg, Ansicht von Südosten (Bild: Roland Zumbühl, Wikimedia, CC)

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hat Germanistik, Geschichte und Philosophie studiert und ist zusätzlich ausgebildeter Mediendesigner im Segment Druck. Er schreibt seit über 30 Jahren belletristische Texte und seit rund zwei Jahrzehnten für Auftraggeber aus den unterschiedlichsten Branchen.

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