Die Kulturschätze der Römerstadt Martigny
VON belmedia Redaktion Bauwerke Denkmalpflege News Schauplätze
Im Unterwallis liegt, mit einer sehr langen und reichen Geschichte, die Stadt Martigny. Ihre drei Stadteile entstanden in unterschiedlichen Epochen.
Die Kleinstadt am Rhoneknie war schon vor 2000 Jahren ein Knotenpunkt, denn hier treffen die Passrouten über den Simplon, den Forclaz und den Grossen St. Bernhard aufeinander.
Martigny – eine über 2000-jährige Geschichte
Martigny weist Spuren aus zwei Jahrtausenden auf. Römer und Kelten waren hier und auch die Truppen Napoleons. Wenn heute in der Arena in Martigny die beliebten Kuhkämpfe stattfinden, denkt kaum jemand daran, dass man sich in einem römischen Amphitheater befindet. Rund 5000 Zuschauer verfolgten an diesem Ort einst Gladiatorenkämpfe. Neben der restaurierten Arena blieben römische Tempel, Thermen und Reste von Wohnquartieren erhalten.
Ursprünglich hiess Martigny „Vicus Octodurus“. Um 57 v. Chr. kämpften hier die ortsansässigen Kelten mit den Römern. Obwohl letztere zahlenmässig schwächer waren, konnten sie den Kampf für sich bestimmen. Im Jahre 47 n. Chr., also in römischer Zeit, erhielt der Ort den Namen Forum Claudii Augusti. Er war auch als Forum Claudii Vallensium bekannt. Der ursprüngliche Name Octodurus tauchte jedoch nochmals in Quellen aus dem Jahr 280 auf. Sein Ursprung ist nicht sicher geklärt. Es soll sich um einen keltischen Namen handeln, der so viel wie „acht Tore“ bedeutet.
Erst als im 4. Jahrhundert die antike Stadt aufgegeben wurde, erhielt die gleich daneben entstandene Siedlung den Namen Martiniacum. Dieser wurde wahrscheinlich von dem Landbesitzer abgeleitet, denn er bedeutet „bei den Leuten des Martinius“.
In Octodurus residierten bis 585 die ersten Walliser Bischöfe. Der Ort zählte im Mittelalter zur bischöflichen Kastlanei Martigny, welche seit 1351 den Schutz der Savoyer in Anspruch nahm. (Die Dynastie Savoyen herrschte von Beginn des Hochmittelalters an über Savoyen und das Piemont und stellte zwischen 1861 und 1946 die Könige von Italien. Einige Zeit regierten Sie zudem Sardinien, die Grafschaft Nizza sowie einen Teil der Westschweiz.) 1475 wurde das Unterwallis durch Oberwallis erobert und in die Landvogtei Saint-Maurice eingegliedert.
Ein weiteres bedeutendes Jahr in der Geschichte von Martigny war 1800. Damals zog Napoleon Bonaparte mit seiner Armee durch die Stadt. 40 Jahre später kam es im Ort zu Streitigkeiten zwischen den Konservativen und den Liberalen. Diese sollten bis 1847 andauern.
Prominente Besucher in Martigny
Im 18. und 19. Jahrhundert zog es zahlreiche prominente Besucher in die Stadt. Während einige, wie Goethe, Balzac, Dickens, Lord Byron oder der Autor des bekannten „Lederstrumpf“, James Fenimore Cooper, nur kurzfristig hier weilten, lebte Gustave Courbet längere Zeit in Martigny. Der berühmte Maler aus Frankreich fand einige Monate Exil, nachdem er wegen seiner Teilnahme am sozialrevolutionären Aufstand der Pariser Kommune flüchten musste. Bevor er starb, bedankte er sich bei Martigny mit einer Frauenbüste, die er „La Liberté“ genannt hatte. Zu späterer Zeit änderte die Stadt deren Namen in „Helvetia“. Sie steht auf einem kleinen Platz, südlich des Place Centrale im Zentrum von Martinique-Ville.
Sehenswerte Zeitzeugen in Martigny
Wer heute die Römerstadt besucht, stösst auf Schritt und Tritt auf steinerne Zeitzeugen. Einige der bedeutendsten stellen wir Ihnen nachfolgend vor.
Die Pfarrkirche Notre-Dame-de-la-Visitation ist eines der auffallendsten barocken Gebäude des gesamten Kantons Wallis. Ihre nüchterne Architektur und ihre Homogenität sind speziell. Im 17. Jahrhundert erbaut, erhielt die Kirche anfangs des 18. Jahrhunderts einen neugotischen Glockenturm mit bemerkenswerter Höhe und einer eleganten Erscheinung: Er verfügt über eine pyramidenförmig zulaufende Tuffsteinspitze und hat acht konkave Seiten. Auch der Innenraum der Kirche ist mit seinem geschnitzten Mobiliar auffallend schön. Dieses entstand durch lokale Handwerker im 17. sowie 18. Jahrhundert. Aus dem Jahre 1495 stammt das mächtige Kruzifix.
Unter der Pfarrkirche kamen bei Ausgrabungen in den Jahren 1990 und 1993 die Überreste einer frühchristlichen Kathedrale zum Vorschein. Es soll sich dabei um das erste kleine Gotteshaus innerhalb eines römischen Komplexes handeln. Sie wird ins Jahr 400 v. Chr. datiert. Erkundigen Sie sich bei Interesse bei Martigny Tourisme, ob und wann der Ort auf einer Führung besichtigt werden kann.
Ein weiteres Gotteshaus aus Martigny lohnt einen Besuch: Die Kapelle Notre-Dame-de-Compassion. Sie befindet sich unterhalb der Felswand, auf welcher das Château de La Bâtiaz thront. Die kleine Kapelle ist reich ausgestattet. Sie besitzt eine einzigartige Sammlung an Glasmalereien und bunten Votivtafeln.
Votivtafeln sind ein Zeichen für die Frömmigkeit des Volkes. Sie wurden angefertigt, um sich bei Gott, Maria oder bei einem Heiligen für überstandene Krankheit oder die Abwendung eines Unheils zu bedanken. Sie dienten aber auch dazu, Hilfe und Beistand anzuflehen.
Die Tafeln der Kapelle Notre-Dame-de-Compassion werden ins 17. und 18. Jahrhundert datiert. Sie sind an der Wand rechts von der Kapelle zu sehen. Die Glasfenster wurden 2014 installiert.
Als 1981 an der Eishalle gearbeitet wurde, entdeckte man überrascht Spuren aus der Römerzeit. Es handelt sich um einen Raum, der zu den öffentlichen Thermen gehörte. Das Caldarium kann besichtigt werden. Gut zu erkennen ist noch heute ein Raum, ausgestattet mit Wasserbecken. Ein Besuch ist ausschliesslich im Rahmen einer geführten Besichtigung möglich. Weitere römische Stätten in Martigny sind zum Beispiel Domus des Hausgottes und Domus Minerva.
Ebenfalls zu den geschützten Kulturgütern in Martigny gehört die gedeckte Holzbrücke La Bâtiaz über die Dranse, dem linken Nebenfluss der Rhone. Es handelt sich um die letzte Holzbrücke im Wallis, welche noch für den Autoverkehr zugelassen ist. Die erste Brücke an dieser Stelle wurde 1635 während eines Hochwassers mitgerissen. Daraufhin wurde eine neue Brücke erbaut, die jedoch dem Debakel von Gietroz im Jahre 1818 zum Opfer fiel.
Das Debakel von Giétroz: 1815 sanken nach einem Vulkanausbruch die Temperaturen weltweit. Das führte dazu, dass der Gietrogletscher in den Alpen so zunahm, dass er den Zulauf des Flusses Dranse blockierte. Es entstand eine Eismauer, hinter der sich ein See staute. Als im Juni 1818 das Eis brach, entstand eine Flutwelle, die Martigny mit voller Wucht traf. Der materielle Schaden war enorm, gleichzeitig verloren 36 Menschen ihr Leben. Diese Katastrophe legte den Grundstein für die Gletschertheorie.
Die neue Holzbrücke La Bâtiaz wurde 1829 aus Lärchenholz gebaut und 1920 verstärkt.
Interessieren Sie sich für die Geschichte von Martigny und möchten Sie die Kulturgüter und steinernen Zeitzeugen selbst besuchen, erhalten Sie alle nötigen Informationen im
Office de Tourisme de Martigny
Avenue de la Gare 6
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