Archäologischer Dienst: Prähistorischer Menhir in Kehrsatz entdeckt?
VON belmedia Redaktion News Schauplätze
Im Breitenacher bei Kehrsatz sind Mitarbeitende des Archäologischen Dienstes des Kantons Bern mitten in einer bronzezeitlichen Siedlung auf einen grossen Einzelstein gestossen.
Es könnte sich um einen prähistorischen Menhir handeln. Möglicherweise stand dieser früher aufrecht und markierte einen Kultplatz.
Wegen einer geplanten Überbauung führt der Archäologische Dienst des Kantons Bern im Breitenacher bei Kehrsatz eine grossflächige Untersuchung in einer bronzezeitlichen Siedlung durch. Dabei legten die Fachleute einen grossen monolithischen Quarzsandstein frei. Der 2 Meter lange, 1,3 Meter breite und schätzungsweise 2 bis 3 Tonnen schwere Stein stammt aus dem nahen Ausläufer einer eiszeitlichen Gletschermoräne. Seine Form ist oval und läuft auf einer Seite leicht spitz zu.
An der Oberfläche des Findlings sind keine eindeutigen Hinweise auf Bearbeitungen sichtbar. Spuren im Boden deuten darauf hin, dass der Stein möglicherweise einst aufrecht stand und zu Beginn oder während der bronzezeitlichen Besiedlung in eine Grube niedergelegt wurde.
Die Lage des Steins in gleicher Distanz zu mehreren bronzezeitlichen Häusern könnte darauf hinweisen, dass er bei der Anlage der Siedlung eine Rolle spielte, beispielsweise als Referenzpunkt. Ebenso könnten sich in seiner Umgebung weitere Steine befunden haben, die bislang nicht freigelegt wurden.
Es ist auch denkbar, dass der Stein zu einer älteren, jungsteinzeitlichen Nutzung des Geländes gehört und beim Bau der bronzezeitlichen Häuser aus Platzgründen verschoben wurde.
Steinzeitlicher Kult- oder Versammlungsplatz?
Aufgrund seiner Grösse und Form gleicht der Stein von Kehrsatz einem Menhir (keltisch maen ‹Stein›, hir ‹lang›) oder «Hinkelstein». Damit werden längliche, oft unbearbeitete Einzelsteine bezeichnet, die zur Markierung von Kult- oder Versammlungsorten dienten.
Ähnlich zu interpretieren sind ungefähr 4500–5000 Jahre alte Steinreihen (Alignements) und Dolmen (Hünengräber) der Jungsteinzeit. In der Schweiz gibt es rund hundert dieser sogenannten Megalith-Monumente. Sie befinden sich vorwiegend in der Genferseeregion, im Wallis und am Jurasüdfuss. Im Kanton Bern wurde ein als Kollektivgrab genutzter Dolmen vor einigen Jahren in Oberbipp ausgegraben.
Einzeln stehende Menhire sind aus der Schweiz nur rund 15 bekannt. Meist handelt es sich um einfache, aufgestellte Blöcke von 1 bis 4 Meter Höhe. Das bislang beste Beispiel aus dem Kanton Bern steht in Sutz-Lattrigen am Bielersee.
Der Fund eines Menhirs in Kehrsatz wäre daher eine kleine Sensation. Allenfalls lässt sich seine Deutung durch die Untersuchung weiterer Steine aus der näheren Umgebung überprüfen. Dies wäre umso interessanter, als über die steinzeitliche Besiedlung in der Umgebung der Stadt Bern mit Ausnahme weniger Einzelfunde bisher nicht viel bekannt ist.
Um den Stein weiter zu untersuchen, haben ihn Fachleute des Archäologischen Dienstes sorgfältig umplatziert und vor der Witterung geschützt. Nach Abschluss der Ausgrabung ist geplant, den Stein in der Nähe aufzustellen und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Eine grosse bronzezeitliche Siedlung in Kehrsatz
Der mögliche Menhir wurde vom Archäologischen Dienst im Rahmen grösserer Untersuchungen entdeckt. Die geplante Wohn- und Gewerbeüberbauung zwischen Bernstrasse und Gurten macht dort die Ausgrabung eines rund 3500 Jahre alten bronzezeitlichen Dorfes unumgänglich.
Grossflächig ausgegrabene und untersuchte Siedlungen aus dieser Epoche sind bisher selten. Die anhand zahlreicher Pfostengruben rekonstruierbaren Hausgrundrisse sowie das dazugehörige Fundmaterial werden helfen, die Lebensweise unserer Vorfahren besser zu verstehen.
Das grosse öffentliche Interesse an der Vergangenheit war am Tag der offenen Grabung letzten Herbst deutlich zu sehen, als hunderte Interessierte die Fundstelle besuchten. Die Ausgrabung in den angrenzenden Flächen wird noch bis ins kommende Jahr fortgeführt.
Oberstes Bild: Um die Funktion und eine möglicherweise aufrechte Position des Steinblocks rekonstruieren zu können, wird sein Fundkontext genau dokumentiert.
Quelle: Kommunikation Kanton Bern (KomBE), Staatskanzlei
Artikelbild: © Archäologischer Dienst des Kantons Bern, Stéphane Devaud