Rotes Badehaus mit Denkmalpflegepreis 2017 des Kantons Bern ausgezeichnet
VON belmedia Redaktion Denkmalpflege Denkmalschutz News
Mit dem Badehaus für seine Familie setzte der Thuner Architekt Jacques Wipf 1930 auf die neusten Architekturtrends. Für die nachhaltige Restaurierung des Kleinbaus, der ein Musterbeispiel der Moderne ist, werden seine Enkel mit dem Denkmalpflegepreis 2017 des Kantons Bern ausgezeichnet.
Der Spezialpreis der Fachkommission für Denkmalpflege würdigt das beispielhafte Engagement aller Beteiligten, das dazu beitrug, dass die ehemalige Zellstofffabrik in Péry-Rondchâtel restauriert werden konnte und weiterhin genutzt wird.
Mit dem leuchtend roten, flach gedeckten Badehaus auf Stelzen erregte der bekannte Architekt Jacques Wipf in seiner Heimatstadt Aufsehen. So radikal konnte Wipf sonst wohl kaum bauen. Seine Heimatstil-Wohnhäuser in Thun oder das Grimsel Hospiz sprechen eine andere Architektursprache als das rote, avantgardistische Badehaus. Dieses mutet im Werk des Architekten wie ein Vorreiter des von Wipf mitgestalteten Thuner Strandbades an, das zu den bedeutendsten Beispielen des Neuen Bauens im Berner Oberland gehört. Geradezu lehrbuchhaft präsentiert das Badehaus die damaligen Architekturtrends, die Devise „Licht, Luft und Sonne“ oder Le Corbusiers Architekturprinzipien des „Hauses auf Stützen“.
Die einfache, funktionale Einrichtung des Gebäudes bot den Wipfs ursprünglich ein wenig Komfort für ihren sonntäglichen Familien- und Badeausflug. Den Kaffee tranken sie draussen auf dem Rasen, auf den Terrassen wärmten sie sichsich nach dem Seebad auf. Im freien Erdgeschoss stellte man im Sommer das Auto, im Winter das Boot unter.
Grosse Wertschätzung über Generationen
Der Vater der heutigen Eigentümer, der in der Region ebenfalls hoch geschätzte Architekt Karl Müller-Wipf, erweiterte das Badehaus 1954 zum Sommer-Ferienhaus. Der Anbau ist ein charakteristisches Werk der 1950er Jahre: unspektakulär, aber bis ins Detail sorgfältig durchkomponiert sowie respektvoll und diskret hinter das Badehaus zurückversetzt.
Mit grosser Wertschätzung widmete sich auch die dritte Besitzergeneration dem Seehaus, als es restauriert werden musste. Für die Bauherren, Christoph und Dominik Müller, steht die originale Substanz, die für sie untrennbar mit Erinnerungen verbunden ist, an oberster Stelle. Sie liessen sich deshalb bei der Restaurierung Zeit, um nach den passenden Lösungen zu suchen. Die Bauherren verzichteten auf eine technische Aufrüstung; die unverfälschte Architektur ist ihnen mehr wert als zusätzlicher Komfort – das Badehaus bleibt ein Sommerhaus.
Mit der gleichen Sorgfalt, die sie für die Architektur aufbringen, bewahren die Brüder Müller auch das Firmenarchiv von vier Architektengenerationen – eine kostbare Quelle für das Verständnis der neueren gebauten Geschichte der Stadt Thun.
Statt „neuer Glanz“ kristallines Leuchten
Eine Farbuntersuchung lieferte den bemerkenswerten Befund, dass das Badehaus über den originalen Mineralfarbanstrich verfügte. Für die Restaurierung wollten die Bauherren dieselbe farb- und alterungsbeständige Farbtechnik verwenden. Es widerstrebte ihnen jedoch, das Haus „in neuem Glanz“ erstrahlen zu lassen. Die Mineralfarbe ermöglichte idealerweise einen lasierenden Anstrich. So erhielt die Fassade das materialtypische „kristalline Leuchten“ zurück; die ursprünglichen Bearbeitungs- und die Altersspuren bis hin zur Markierung des Hochwasser-Pegelstandes von 2005 bleiben aber ablesbar. Dieses Resultat ist dem handwerklichen Geschick der Malerin und einer intensiven Teamarbeit aller Beteiligten zu verdanken: Christoph Müller, selbst ein erfahrener Architekt, plante die einzelnen Schritte gemeinsam mit dem Restaurator und dem Farbberater, den Handwerkern und dem Bauberater der Denkmalpflege.
Spezialpreis 2017 – Erhaltung eines Industriedenkmals
Mit dem Spezialpreis würdigt die Fachkommission für Denkmalpflege das Engagement der Bauherrschaft, der Firma Ciments Vigier SA und Fritz Schwarz, Projektleiter des Masterplans. Ihr aussergewöhnlicher Einsatz und die Zusammenarbeit bei der Entwicklung eines neuen Nutzungskonzepts haben die Erhaltung und die Weiternutzung der ehemaligen Zellstofffabrik an der Schüss möglich gemacht. Der Ort bleibt aktiv genutzt: In Rondchâtel wird weiterhin Strom produziert.
Der Spezialpreis der Fachkommission für Denkmalpflege des Kantons Bern richtet das Augenmerk nicht auf „Alltagsarchitektur“ wie der Hauptpreis, sondern auf eine beispielhafte Restaurierung, auf eine herausragende Einzelmassnahme oder auf das aussergewöhnliche Engagement einer Bauherrschaft.
Preisverleihung, Ausstellung und Führungen
Die Preisverleihung ist öffentlich und findet am Donnerstag, 18. Mai 2017 um 18.30 Uhr im Stadtsaal des Kornhausforums Bern statt. Die beiden ausgezeichneten Objekte werden in der Zeitschrift UMBAUEN+RENOVIEREN porträtiert. Ergänzend dazu präsentiert eine kleine Ausstellung in der Galerie des Kornhausforums zusätzliche Informationen zu den Bauten, ihrer Geschichte und zur aktuellen Restaurierung. Mitte Juni wandert die Ausstellung weiter in die Konzepthalle 6 in Thun, wo sie bis Ende Juli 2017 zu sehen sein wird. Die beiden Objekte können im Rahmen von Führungen im Juni 2017 auch besichtigt werden.
Ausstellung in Bern vom 19. Mai bis 17. Juni 2017
Galerie Kornhausforum, Di–Fr 10–19 Uhr, Sa 10–17 Uhr
Ausstellung in Thun vom 21. Juni bis 23. Juli 2017
Konzepthalle 6, Scheibenstrasse 6, Thun; Vernissage am 21. Juni 2017, 18 Uhr
Mo 08–18.30 Uhr, Di–Fr 08–24 Uhr, Sa 10–24 Uhr, So 10–15 Uhr
Führung in Thun am 15. Juni 2017: Licht, Luft und Farbe
Treffpunkt: Pfaffenbühlweg 46, 18 Uhr
Führung in Péry-La Heutte am 29. Juni 2017: Erhaltung eines Industriedenkmals
Treffpunkt: Rondchâtel 242, 18 Uhr
Über den Denkmalpflegepreis des Kantons Bern
Mit dem Denkmalpflegepreis zeichnet die Denkmalpflege des Kantons Bern in Zusammenarbeit mit der Fachzeitschrift „UMBAUEN+RENOVIEREN“ als Medienpartnerin seit 2010 jährlich eine Bauherrschaft aus, die in Zusammenarbeit mit der Fachstelle ein Gebäude mit Alltagsnutzung sorgfältig restauriert und weiterentwickelt hat. Sie legt damit den Fokus auf die zahlreichen charakteristischen, architektonisch, geschichtlich oder technisch interessanten Gebäude, welche die Identität unserer Dörfer und Städte genauso stark prägen wie die Herrschaftsbauten und Kirchen, in deren Schatten sie stehen.
UMBAUEN + RENOVIEREN – Die rote Perle am Thunersee (PDF)
Einladung zur Preisverleihung Denkmalpflegepreis 2017 (PDF)
Quelle: Kanton Bern, Erziehungsdirektion
Artikelbilder (sofern nicht anders angegeben): © Christian Helmle