Die Geschichte des Gotthards entdecken

Göschenen ist den meisten Schweizern nur als eine Ortschaft aus den Staumeldungen am Radio bekannt. Doch das Bergdorf am Gotthard hat eine spannende Geschichte, geprägt von der Entwicklung des Verkehrs, von Pioniertaten – und von Tunnels. Ein neuer Lehrpfad, der von der Schweizer Berghilfe mitfinanziert wurde, bringt diese Geschichte den Besuchern näher.

Am kommenden Montag, pünktlich zur Eröffnung des Gotthard-Basistunnels, wird der „Rundgang Gotthardtunneldorf“ offiziell eingeweiht.


Kilian Elsasser hat den Rundgang erarbeitet, der die Geschichte von Göschenen erlebbar macht. (Bild: Max Hugelshofer, Schweizer Berghilfe)

Mit dem NEAT-Basistunnel wird gerade Geschichte geschrieben am Gotthard. Einmal mehr. Der Pass ist seit der Zeit der Säumer im späten Mittelalter die Verbindung zwischen Nord und Süd. Hier wurden erste einfache Steinbrücken für Maultiere gebaut, im 17. Jahrhundert dann Strassen für Pferdekutschen. Später kam die Eisenbahn und mit ihr das gigantische Projekt des ersten Bahntunnels und später eines Wasserkraftwerks, um Strom für die Züge zu gewinnen.

Vorläufiger Abschluss der Pioniertaten bildete in den 1980er-Jahren die Autobahn samt Tunnel. Und immer mitten im Geschehen: Das Dorf Göschenen am Nordportal des Gotthardtunnels. Mit den Grossbaustellen kam der Aufschwung. Als der Bahntunnel gebaut wurde, lebten zeitweise 3000 Arbeiter aus Italien im Dorf. Die lokale Bevölkerung vermietete ihre Häuser und baute sich selbst neue. Die Geschäfte brummten. Doch irgendwann ist jede Baustelle beendet, und nach der Feier kommt der Kater.


An 14 im Dorf verteilten Punkten erfährt man Geschichten und Geschichte aus Göschenen. (Bild: Max Hugelshofer, Schweizer Berghilfe)

Von diesem Auf und Ab handelt der „Rundgang Gotthardtunneldorf“. Ab kommendem Montag können die Besucher im Bahnhof Göschenen und beim Gemeindehaus gratis eine Broschüre mitnehmen, die Geschichte und Geschichten von 14 interessanten Punkten im Dorf erläutert, und sich selbständig auf Erkundungstour machen. Dabei kommen sie einem Streik mit Todesopfern auf die Spur, vergleichen Brücken für fünf Generationen von Verkehrsmitteln und erhalten im engen Stollen einen Eindruck von der harten Arbeit der Tunnelbauer.


In einem engen Stollen erhält man einen Eindruck von der harten Arbeit der Tunnelbauer. (Bild: Max Hugelshofer, Schweizer Berghilfe)

„Man ist hier von Geschichte umgeben“

Den Rundgang realisiert hat der Historiker und Museologe Kilian T. Elsasser. Seine berufliche Laufbahn – er arbeitete lange im Verkehrshaus Luzern – brachte ihn schon vor Jahrzehnten mit dem Gotthard in Berührung. Das Interesse wuchs, mit ihm das Wissen, und ehe er sich versah, war Elsasser der Experte für alles, was mit der Geschichte des Gotthards zu tun hat.

Durch seine Arbeit fühlte sich der Luzerner nicht nur dem Gotthard, sondern auch der Gemeinde Göschenen immer mehr zugetan und kaufte schliesslich sogar das alte Schulhaus, das er nun als Atelier und Zweitwohnsitz nutzt. „Man ist hier von Geschichte umgeben, man stolpert sozusagen darüber“, erklärt er seine Faszination für dieses besondere Bergdorf. Kein Wunder war es dem professionellen Museumsgestalter ein Anliegen, auch die Öffentlichkeit an dieser Geschichte teilhaben zu lassen. „Vielen Göschenern ist kaum bewusst, wie einzigartig die Geschichte ihres Dorfes ist“, sagt er. „Und den wenigen Besuchern erst recht nicht.“


In einem engen Stollen erhält man einen Eindruck von der harten Arbeit der Tunnelbauer. (Bild: Max Hugelshofer, Schweizer Berghilfe)

Neue Gäste gewinnen

Also machte sich Elsasser auf die Suche nach Unterstützung für seine Idee eines historischen Dorfrundgangs. Beim Gemeindepräsidenten Felix Cavaletti rannte er offene Türen ein. Dieser sah sofort das touristische Potenzial der Idee: „Bei uns steigen viele Leute von der SBB auf die Matterhorn-Gotthard-Bahn um. Ich bin sicher, dass sich die einen oder anderen gerne eine Stunde Zeit nehmen, um mehr über die Geschichte des Gotthards zu erfahren.“ Auch auf die Gäste des neuen Resorts in Andermatt setzt Cavaletti einige Hoffnungen. „Unser Dorfrundgang eignet sich hervorragen für einen Halbtagesausflug, wenn das Wetter mal nicht mitspielt.“


Künstler Roland Heini (rechts) hat aus Metall ein Relief einer Szene vom Bau des ersten Bahntunnels geschaffen. (Bild: Max Hugelshofer, Schweizer Berghilfe)

Doch mit der Begeisterung des Gemeindepräsidenten für das Projekt war es noch nicht getan. Trotz Unterstützung durch den Kanton, Andermatt Tourismus, verschiedene Stiftungen und Sponsoren kamen die für die Realisierung der Ausstellung nötigen 95‘000 Franken nicht zusammen. Erst als die Schweizer Berghilfe zusicherte, die noch fehlenden 15‘000 Franken zu übernehmen, zeigten die Ampeln grün.

Für die Schweizer Berghilfe ist der „Rundgang Gotthardtunneldorf“ ein nicht ganz alltägliches Projekt. Aber eines, das Sinn ergibt, wie Geschäftsführerin Regula Straub erklärt: „Es baut auf die einzigartigen Besonderheiten von Göschenen auf. Es wird Besucher anziehen, die in Restaurants einkehren und in den Läden einkaufen. So entsteht für diese Randregion eine wichtige zusätzliche Wertschöpfung.“


Mit Hilfe von Licht und Ton wird das Relief für die Besucher zum Leben erweckt. (Bild: Max Hugelshofer, Schweizer Berghilfe)

Die offizielle Eröffnung des „Dorfrundgang Tunneldorf“ findet am Montag, 30. Mai statt. Für die Öffentlichkeit beginnt das Programm um 14 Uhr. Ab diesem Zeitpunkt ist der Rundgang tagsüber täglich für die individuelle Besichtigung geöffnet.

Schweizer Berghilfe

Die Schweizer Berghilfe ist eine ausschliesslich durch Spenden finanzierte Stiftung mit dem Ziel, die Existenzgrundlagen und Lebensbedingungen der Schweizer Bergbevölkerung zu verbessern. Die Unterstützung trägt dazu bei, Wirtschafts- und Lebensräume zu entwickeln und der Abwanderung aus dem Berggebiet entgegenzuwirken. 2015 unterstützte die Schweizer Berghilfe 513 Projekte. Mit einem Projektaufwand von 23,8 Mio. Franken löste sie ein Mehrfaches an Investitionen aus, die lokal Wertschöpfung und Arbeitsplätze schaffen.

 

Artikel von: Schweizer Berghilfe
Artikelbild: Das Dorf Göschenen hat eine einmalige Geschichte, die untrennbar mit dem Gotthard verknüpft ist. (© Max Hugelshofer, Schweizer Berghilfe)

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