Let Me Live – Montreux als Pilgerstätte für Queen-Fans

An der Riviera von Montreux steht eine überlebensgrosse Bronzestatue von Freddie Mercury. Wie der Leadsänger von Queen auf der Bühne stand, so steht er nun auf seinem Sockel und blickt hinaus auf den Genfer See.

Fast täglich legen Fans hier Blumen nieder, und auch das Queen-Museum im Casino ist gut besucht.

Singer of Songs, Lover of Life

Die Freddie-Mercury-Statue an der Uferpromenade des Lac Léman wurde am 25. November 1996, dem fünften Todestag des Queen-Sängers, von Montserrat Caballé enthüllt. Die Opernsängerin kannte Mercury, denn die beiden hatten für die Olympischen Spiele 1992 gemeinsam den Song „Barcelona“ eingespielt. Als die Spiele begannen, war Freddie Mercury bereits tot: Der begnadete Musiker und Komponist starb 1991 an AIDS. Er wurde nur 45 Jahre alt – zu viel Liebe hatte ihn getötet.

Das Denkmal und das Queen-Museum in Montreux wurden finanziert von Freddies Familie, den Hinterbliebenen der Band und einer von Mercury gegründeten Wohltätigkeitsorganisation. Entworfen wurde die Skulptur von der tschechischen Künstlerin Irena Sedlecka, die den Queen-Sänger in einer Kraft- und Triumphpose verewigt hat, die jedem Queen-Fan vertraut ist: Breitbeinig steht er da, einen Arm hat er emporgereckt, den Mikroständer hält er wie einen Tanzstock, die offene Jacke scheint in der Bewegung aufzufliegen. Auf dem Sockel ist eine goldene Plakette angebracht, auf der steht: „Freddie Mercury – Singer of Songs – Lover of Life“.

Mit der Statue wurde ein Held der Bühne und ausgezeichneter Musiker verewigt. Doch sie ist noch mehr: Sie ist ein Denkmal für den Sieg über die Zeit. Ein Bild von ihr schmückt das Cover des 1995 erschienenen Albums „Made in Heaven“. Auf diesem letzten Queen-Album ist Freddie Mercurys Stimme gewissermassen aus dem Himmel zu hören: Die Vocals zur Musik wurden von alten Masterbändern eingespielt und waren so für die Öffentlichkeit neu, obwohl Freddie zum Zeitpunkt der Aufnahmen bereits seit vier Jahren tot war.

Montreux als Rückzugsort der Popkultur

Der Mann mit der legendären Stimme kam im Jahr 1978 zum ersten Mal nach Montreux. Dort spielte die Rockgruppe Queen ihr Album „Jazz“ ein – in einem professionellen Partykeller und hochmodernen Tonstudio tief unten im Casino. Im Folgejahr kaufte die Band die Mountain Studios, und Freddie Mercury erwarb ein Appartement am Ufer des Genfer Sees, um während seiner Schweizaufenthalte einen komfortablen Wohnort zu haben. Auch dieses Haus ist zu einer Art Pilgerstätte für Queen-Fans geworden: Vor allem am 5. September, dem Geburtstag von Freddie Mercury, legen sie hier Blumen, Briefe und andere Zeichen der Trauer, Verehrung und Erinnerung nieder.


Freddy Mercury Statue in Montreux. (Bild: © Wikimedia, CC BY-SA 3.0)

Mercury hatte seine Heimat nach und nach immer mehr nach Montreux verlagert, weil er sich dort wohlfühlte. Die Palmen, der See, der Blick auf den Mont Blanc, das ganz besondere, flirrende Licht der Alpen: Die gesamte Atmosphäre inspirierte ihn. Mit den Bandkollegen spazierte er um den See, fuhr Wasserski, genoss die gute Luft und das Schweizer Käsefondue. In den Jahren nach 1978 entstanden in Montreux fast alle Queen-Songs, mit denen die Band weltweit so berühmt wurde – 18 davon wurden Nummer-eins-Hits und bescherten Queen rund 300 Millionen verkaufte Platten und Cds.

Mit ihrer Vorliebe für Montreux waren die Musiker von Queen nicht allein: Viele ihrer Kollegen aus der internationalen Rock- und Popkultur flohen schon seit den 1960er Jahren in das idyllische Städtchen, wenn ihnen die Moderne und ihr ganzer Trubel mal wieder zu viel wurden. Neben der ausgezeichneten Studiotechnik waren die britischen Steuerreformen für Bands wie Led Zeppelin, Deep Purple oder die Rolling Stones ein weiterer Grund, lieber in der Schweiz zu arbeiten.

Ein sehr bekannter Song, in dessen Text Montreux als Treffpunkt der Rock- und Popgrössen jener Zeit thematisiert wird, ist „Smoke On The Water” von Deep Purple. Darin wird von einem Brand im Casino erzählt, den ein Fan mit einer Signalpistole („some stupid with a flare gun“) ausgelöst hatte. Das war 1971, und es dauerte fünf Jahre, die ausgebrannten Räume zu renovieren und das Studio wieder funktionsfähig zu machen.

Das Queen-Museum im Casino von Montreux

Queen besass die Mountain Studios von 1979 bis 1995, dann übernahm sie der Produzent David Richards von den hinterbliebenen Bandmitgliedern. Das Queen-Museum ist in den Räumen der ehemaligen Mountain Studios untergebracht und ungefähr so gross wie eine durchschnittliche Zwei-Zimmer-Wohnung. Der Eingang liegt in einem Seitentrakt des Casinogebäudes. Besucher gehen auf ihrem Weg ins Museum auf einem roten Teppich an den Spieltischen vorbei und gelangen so zur „Queen Studio Experience“.


Montreux Queen Studio Experience Mercury Phoenix Trust (Bild: © Kazuyanagae, Wikimedia, CC BY-SA 4.0)

Hier kann man in analoger Technik schwelgen und verschiedene Queen-Devotionalien betrachten – zum Beispiel Freddie Mercurys Handmikrofon oder das brustfreie Harlekinskostüm, das bei der Queen-Tournee von 1977 für Aufsehen sorgte. In den Mountain Studios sang Mercury auch seine letzten Vocals ein – sein Abschiedslied „A Winter’s Tale“. Die Stelle im Kontrollraum, an der er dabei stand, ist im Queen-Museum mit einem goldenen Kreis markiert.

In verschiedenen Vitrinen sind die Original-Musikinstrumente der Band ausgestellt, und wer sich nicht nur für die Musik, sondern auch für die Texte von Queen begeistert, kann Erstfassungen der Lyrics, die heute Millionen mit- und nachsingen, auf Mercurys angeschmuddelten, handbeschriebenen Notizzetteln lesen. Das Original-Mischpult befindet sich zwar schon seit einigen Jahren im Besitz des Staatsstudios von Göteborg, doch für Museumsbesucher steht eine massstabsgetreue Nachbildung mit zehn Reglern zur Verfügung. Daran kann man spielen, um einzelne Instrumente oder die Stimme des Sängers zu isolieren bzw. ein- und auszublenden.


Das brustfreie Harlekinskostüm, das bei der Queen-Tournee von 1977 für Aufsehen sorgte. (Bild: © Kazuyanagae, Wikimedia, CC BY-SA 4.0)

Neben dem liebevoll nachgebauten Mischpult steht die Mercury-Statue noch einmal – allerdings ganz klein und aus Gips. Ansonsten sieht sie genauso aus wie die über drei Meter hohe Bronzefigur am Seeufer. Die Frage, welche der beiden Skulpturen das Original ist und welche eine Kopie, stellt sich eigentlich gar nicht. Doch das weithin sichtbare grosse Denkmal gehört mittlerweile zu den bekanntesten und meistbesuchten Wahrzeichen der Stadt Montreux, während die kleine Figur nur für jene sichtbar wird, die auch dem Queen-Museum einen Besuch abstatten.

Wo ist die Asche von Freddie Mercury?

Mary Austin, eine Freundin und Vertraute von Freddie Mercury, erzählt, sie habe die Asche des Queen-Sängers über dem Genfer See ausgestreut. Dem widerspricht Jim Hutton, der letzte Freund Mercurys, der immer behauptet hat, Freddies Asche sei auf dem Kensal Green-Friedhof in London beerdigt worden. Sicher ist, dass Mercury die Schweiz zwei Wochen vor seinem Tod, am 10. November 1991, verlassen hatte. Er starb in London und wurde dort auch eingeäschert. Seine Eltern nahmen die Urne mit.

Freddie Mercurys Mutter wollte nicht, dass für ihren Sohn eine Gedenkstätte auf dem Friedhof errichtet wurde, und verhinderte die Umsetzung entsprechender Pläne. Mary Austin erklärte ihrerseits, sie habe die Asche des Toten über dem See verstreut, um das Entstehen einer Pilgerstätte in Montreux zu verhindern. Als Resultat ist bis heute nicht eindeutig bekannt, wo sich Freddie Mercurys letzte Ruhestätte befindet und ob er überhaupt eine hat.



Am 25. Februar 2013 wurde auf dem Kensal Green Cemetery eine Gedenktafel entdeckt. Sie trug die Inschrift „In Loving Memory of Farrokh Bulsara 5. Sept. 1946-24. Nov. 1991 – Pour être toujours près de toi avec tout mon amour. M.“ Farrokh Bulsara war der Geburtsname von Freddie Mercury. Das M schien darauf hinzuweisen, dass Mary Austin, die auch das Londoner Anwesen des Sängers, sein Vermögen und die Rechte an etlichen seiner Lieder erbte, die Tafel hatte anbringen lassen. Doch das Rätsel konnte nicht eindeutig geklärt werden, und am 6. März 2013 war die mysteriöse Gedenktafel wieder verschwunden.

 

Artikelbild: © InnaFelker – shutterstock.com

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Mehr zu Christine Praetorius

Christine Praetorius, Jahrgang 1971, spricht und schreibt über Neues, Altes, Schönes und Kurioses. Ich liebe Sprache und Musik als die grössten von Menschen für Menschen gemachten Freuden – und bleibe gerne länger wach, um ihnen noch etwas hinzuzufügen. Seit 2012 arbeite ich mit meinem Mann Christian als freie Texterin, Autorin und Lektorin.

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