Das Schweizer Salzregal – ein Monopol aus dem Mittelalter

Jedes Körnchen Salz, das in der Schweiz verbraucht wird, stammt aus der Schweiz. Importsalz kommt den Eidgenossen nicht ins Land. Und warum auch?

Die Schweizer Salinen bei Basel und die Saline in Bex fördern genug, um die Versorgung des Landes noch auf Jahrzehnte hinaus sicherzustellen.

Seit 1840 muss Salz nicht mehr importiert werden

Im Jahr 1840 konnte die Schweiz ihre Grenzen für ausländisches Salz dichtmachen. Vorher musste der lebenswichtige Stoff aus Frankreich, Österreich, Venezien und dem deutschen Bad Reichenhall teuer importiert werden. Denn die inländische Salzförderung reichte nicht aus, um den Landesbedarf zu decken. Wie viel Salz es tatsächlich in der Schweiz gibt, wusste niemand. Das einzige bekannte Salzvorkommen war das in Le Bévieux bei Bex im Kanton Waadt.

Die reichen Salzvorkommen am Hochrhein bei Basel wurden erst im 19. Jahrhundert entdeckt. Bis heute erinnern ein paar hölzerne Schuppen und schlanke Türmchen an den Beginn der grossen Schweizer Salzindustrie in der Fricktalebene. Seit rund 160 Jahren wird das „Weisse Gold“ hier in rauen Mengen gefördert. Die beiden Salinen in Schweizerhalle und Riburg versorgen zusammen mit der alten Saline Bex die komplette Schweiz – und die verbraucht immerhin rund 600‘000 Tonnen Speise- und Streusalz pro Jahr.

Ein Monopol für Versorgungssicherheit und stabile Preise

Nachdem die Schweizer ihren Salzreichtum erst einmal erkannt hatten, strebten sie auch auf diesem Gebiet nach Unabhängigkeit. Kein Salz durfte mehr aus dem Ausland eingeführt werden. Das Schweizer Salzregal, also das Hoheitsrecht auf den Salzhandel, lag ausschliesslich bei den Kantonen. Sie allein waren auch zuständig für die Besteuerung von Salz und salzhaltigen Produkten, die unter das Salzregal fallen. Dieses alte Monopol, das zuerst königlich war, dann fürstlich und später staatlich wurde, besteht immer noch: Nur die Schweiz darf Salz in die Schweiz liefern. Eine Öffnung der Importgrenzen ist im Gesetz nur für Notfälle vorgesehen.


In der historischen Saline in Bex wird seit dem 16. Jahrhundert Salz gewonnen. (Bild: © R.Babakin – shutterstock.com)

Zuerst hütete jeder Kanton streng sein eigenes Salzmonopol, was logischerweise zu drastischen Preiskämpfen führte. Salzschmuggel über die Kantonsgrenzen hinweg – etwa von Baselland nach Bern – war ein gängiges Delikt, das bis in die 1970er Jahre hinein die Polizei in Atem hielt. Erst im Jahr 1973 schlossen alle Kantone bis auf Waadt einen Konkordatsvertrag, durch den sie das Salzregal an die Schweizer Salinen delegierten. So sollte nicht nur die flächendeckende Versorgung mit dem reichlich vorhandenen Hochrheinsalz sichergestellt werden, sondern auch die Preisstabilität. Die ist wichtig, damit das wertvolle Gut auch im abgelegensten Dorf nicht teurer ist als in der Nachbarschaft der Salinen.

Nur der französischsprachige Kanton Waadt hielt hartnäckig an seinem eigenen Monopol fest – obwohl die Saline Bex kaum ein Zwanzigstel der Fördermenge zu Tage bringt und der Abbau kostspieliger ist als am Rhein. Jedes der beiden Unternehmen – die Schweizer Rheinsalinen AG und die Saline de Bex SA – hatte seinen Exklusivitätsbereich, obwohl sie ausdrücklich nicht in einem Konkurrenzverhältnis standen. Erst im Jahr 2014 trat auch Waadt dem Konkordat bei und darf seither ebenfalls von den Schweizer Salinen beliefert werden.

Das Salz der Waadtländer Alpen

Schon lange wusste man, dass es in den Waadtländer Alpen Salz gab. Im 16. Jahrhundert erteilte der Kanton Bern erstmalig Konzessionen zur Nutzung der salzhaltigen Quellen bei Ollon und Bex. Um transport- und gebrauchsfähiges Salz zu gewinnen, wurde das Wasser unter Aufwendung riesiger Holzmengen verdampft – keine besonders wirtschaftliche Methode. Die Ausbeute war wegen des geringen Salzgehalts der Quellen zudem vergleichsweise gering.

Im Jahr 1684 legte man die ersten Stollen an, um das tief im Berg liegende Salz abzubauen. Gefördert wurde zuerst trocken nach Art der Bergmänner, dann ab dem 19. Jahrhundert durch sogenannten nassen Abbau, bei dem das Salz durch Einleitung von Wasser in die Lager gelöst und dann als Sole heraufgepumpt wird. Rund 10‘000 Tonnen Salz werden so jedes Jahr in der Salzmine Bex gefördert.


Rund 10‘000 Tonnen Salz werden jedes Jahr in der Salzmine Bex gefördert. (Bild: © Tomasz Wachowski, Wikimedia, CC BY-SA 3.0)

Heute beziehen sämtliche Kantone ihr Speise- und Streusalz im Rahmen des Salzregals aus den Schweizer Salinen. Doch Waadt kann weiterhin auf sein eigenes Steinsalzlager zurückgreifen. Das historische Salzbergwerk im Rhônetal ist das einzige Schweizer Tagebaubergwerk, und das Salzmuseum Bex stellt die beliebteste touristische Attraktion der Gemeinde dar.

Besucherbergwerk und Salzlehrpfad

Ein Teil des 50 Kilometer umfassenden Stollensystems der Saline Bex ist als Besucherbergwerk eingerichtet. Durch einen separaten Eingang am Eingang des Gryonnetals gelangen Besucher mit einem Stollenbähnchen in den Berg und lernen während der Tour viel über Geologie sowie frühere und moderne Methoden der Salzförderung. Auch das urige Besucherrestaurant ist in einem alten Stollen untergebracht.


Ein Teil des 50 Kilometer umfassenden Stollensystems der Saline Bex ist als Besucherbergwerk eingerichtet. (Bild: © Lysippos, Wikimedia, CC BY-SA 3.0)

Zwischen Ollon und Bex gibt es einen Lehrpfad namens Sentier du Sel, auf dem Wanderer die Reise des Salzes, den „Schweizer Salzrausch“ und weitere Geschichten rund um die Salzgewinnung zu Fuss erleben können. Von Salin-sur-Ollon bis zum Salzbergwerk in Bévieux führt der Salzweg – immer entlang der hölzernen Soleleitung, die vor über fünf Jahrhunderten das Wasser der ersten Salzquelle transportierte, die je in der Schweiz entdeckt worden ist. An vielen Stationen der landschaftlich sehr reizvollen Wanderung stehen Informationstafeln, die nicht nur lehrreich, sondern auch unterhaltsam sind.

Die Salzkuppeln der Saline Riburg

Im Winter muss vor allem der Bedarf an Streusalz sichergestellt werden. Davon braucht die Schweiz – je nachdem, wie viel Eis und Schnee ihr beschert wird – pro Jahr zwischen 50‘000 und 400‘000 Tonnen. Es ist Aufgabe der grossen Saline Riburg, dafür zu sorgen, dass stets genug Streusalz zur Verfügung steht. In zwei beeindruckenden kuppelförmigen Lagerbauten, dem Saldome und dem Saldome 2, bevorraten die Schweizer Salinen daher einen riesigen Salzberg.


Der Saldome mit alter Saline im Vordergrund (Bild: © Ikiwaner, Wikimedia, GNU)

Die beiden Salzkuppeln auf dem Gelände der Saline Riburg wurden vom Holzbau- und Holztechnologieunternehmen Häring & Co. AG aus Pratteln gebaut. Die grössere der beiden, der Saldome 2, ist mit einer Höhe von 35 Metern und einem Durchmesser von 120 Metern der grösste hölzerne Kuppelbau Europas. Unter seinem Dach können, aufgetürmt zu einem gigantischen weissen Kegel, mehr als 100‘000 Tonnen Salz gelagert werden.

Aus Stahl darf ein Salzlager nicht erbaut werden, da Salz in Verbindung mit Feuchtigkeit aggressive Sole bildet, die das Metall zerfressen würde. Doch die Lagerhallen in Riburg sind nicht nur praxistauglich und von nationaler Bedeutung, sondern auch noch atemberaubend schön und nicht nur für Freunde ausgeklügelter Architektur eine Augenweide.



Ausflug in die Schweizer Salzindustrie am Hochrhein

Ganz nah bei den supermodernen Industriebauten stehen die historischen Bohrtürme, mit denen die Geschichte der Salzförderung am Hochrhein ihren Anfang nahm. Wer sich auf dem Gelände umschaut, erblickt Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Schweizer Salzindustrie und ist von vielen Jahren lebendiger Industriegeschichte umgeben.

Natürlich gibt es auch bei den Schweizer Salinen bei Basel ein Salzmuseum. Es heisst „Die Salzkammer“ und bietet auf zwei Etagen und in 15 Räumen Einblicke in die Welt des Salzes. Die Ausstellung befindet sich in der 1860 erbauten Villa Glenck, dem ehemaligen Wohnhaus der Salinendirektoren. Besucher können tausendjährige Salzblöcke und alte Salzgefässe betrachten, erfahren faszinierende Geschichten über Ursprung und Verarbeitung des Weissen Goldes und schauen in die Tiefen eines freigelegten historischen Bohrlochs.



Auch Schweizer Salz reicht nicht für immer

Heute wird das Hochrheinsalz teilweise schon aus Tiefen von 400 Metern heraufgeholt. Die Erschöpfung der höher gelegenen Vorkommen ist absehbar. Experten sagen voraus, dass die Salzvorräte schätzungsweise noch bis zum Jahr 2035 reichen werden. Das ist zwar kein Grund zur Panik, aber doch eine Tatsache, über die man nicht hinwegsehen kann.

Spätestens bis 2025 wollen die Schweizer Salinen einen konkreten Plan darüber vorlegen, wie die Schweiz auch in Zukunft sicher mit Salz versorgt werden kann. Die Priorität liegt nach wie vor auf der einheimischen und unabhängigen Salzproduktion – aber vielleicht wird es auch nötig werden, das mittelalterliche Monopol neu zu überdenken.

 

Artikelbild: © R.Babakin – shutterstock.com

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Mehr zu Christine Praetorius

Christine Praetorius, Jahrgang 1971, spricht und schreibt über Neues, Altes, Schönes und Kurioses. Ich liebe Sprache und Musik als die grössten von Menschen für Menschen gemachten Freuden – und bleibe gerne länger wach, um ihnen noch etwas hinzuzufügen. Seit 2012 arbeite ich mit meinem Mann Christian als freie Texterin, Autorin und Lektorin.

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