Sanierung der Pfarrkirche in Bünzen ausgezeichnet
VON Christine Praetorius Projekte
Der Schweizer Denkmalpreis 2015 ging am 8. Dezember nach Bünzen im Kanton Aargau. Mit dem Preis honorierte die Konferenz der Schweizer Denkmalpflegerinnen und Denkmalpfleger (KSD) die meisterhafte Renovierung und Innensanierung der Bünzener Pfarrkirche St. Georg und Anna.
Das 1860/1861 erbaute Gotteshaus ist die älteste neugotische Kirche im Freiamt und wurde zwischen 2012 und 2014 aufwendig restauriert. Dabei konnten auch die 1931 überstrichenen Trompe-l’oeil-Malereien rekonstruiert werden. In der Begründung der Konferenz zur Preisvergabe hiess es, der fast vollständig erhaltene Innenraum der Bünzener Kirche sei nun einer der schönsten Sakralräume des Historismus in Aargau.
Rekonstruktion anhand von historischen Fotos
Mit der jährlichen Vergabe des Schweizer Denkmalpreises würdigt die KSD herausragende Projekte im Bereich der Kultur- und Denkmalpflege. Zu den Besonderheiten der Kirchenrestaurierung in Bünzen zählt unter anderem, dass sie in diesem Ausmass gar nicht geplant war. Ursprünglich war das vordergründige Ziel der kantonalen Denkmalpflege eine Schimmelsanierung, denn in den Wänden des neugotischen Gotteshauses hatte sich ein verdächtiger Modergeruch bemerkbar gemacht.
Bei der Suche nach den Ursachen stellten die Experten fest, dass der ehemals weisse und mittlerweile grau gewordene Innenanstrich die Wand so dicht versiegelt hatte, dass Feuchtigkeit und Kondenswasser nicht vollständig entweichen konnten und sich unter der Farbe Schimmelpilze eingenistet hatten. Um die Wände trockenzulegen und dem Schimmel die Lebensgrundlage zu entziehen, gab es nur eine Option: Die oberste Farbschicht musste entfernt werden.
Nachdem dieser notwendige erste Schritt beschlossene Sache war, entschieden Denkmalpfleger und Baukommission gemeinsam, den Weg auch konsequent zu Ende zu gehen und die ursprünglichen Malereien wieder zum Vorschein zu bringen. Das war eine schwierige Herausforderung, denn die erste Streichung war im Lauf der Geschichte bereits zwei Mal übermalt worden. Doch der mögliche und erhoffte Erfolg machte den Aufwand lohnenswert.
Die Pfarrkirche St. Georg und Anna ist die am besten erhaltene Kirche von Caspar Joseph Jeuch, einem bekannten Architekten des Historismus aus Baden. Jeuch lebte von 1811 bis 1895 und errichtete zahlreiche Häuser und Sakralbauten, die heute zum wertvollen kulturellen Erbgut der Schweiz gehören. Die ersten Wandmalereien von Karl August Jäggli stammen ebenfalls aus der Bauzeit der Bünzener Kirche. Mit ihrer Wiederherstellung gelang es den Restaurateuren, dem Gotteshaus schliesslich sein ursprüngliches Aussehen und dem altersgrauen Sakralraum seine frühere lichte Atmosphäre zurückzugeben.
Rekonstruktion anhand von historischen Fotos
Der Dekorationsmaler Karl August Jäggli aus Winterthur war Spezialist für die sogenannte Trompe-l’oeil-Malerei. Diese Maltechnik täuscht das Auge, indem sie auf einem flachen Untergrund den Eindruck der Dreidimensionalität und Plastizität erweckt. Jäggli hatte die Wände so bemalt, dass eine perfekte optische Illusion von Stuckatur- und Steinmetzarbeiten entstand. Durch geschickte Abstufungen und Verläufe von Grau- und Beigetönen schuf er ein illusorisches Gesamtbild aus scheinbar dreidimensionalen Formen, Strukturen und Schatten.
Der einst hochgeschätzte und -gelobte Trompe-l’oeil-Stil war zu Anfang des 20. Jahrhunderts fast völlig aus der Mode gekommen. Vielen galt er zu dieser Zeit als Geschmacksverirrung und Kitsch von gestern – darum sind in den Kirchen der Schweiz nur noch wenige dieser Werke des Historismus zu finden. Die alte Architekturmalerei der Bünzener Kirche war im Jahr 1931 mit kräftigen bunten Farben übermalt worden, die dann 1970 unter dem weissen Anstrich verschwanden.
Bei der Rekonstruktion des aussergewöhnlichen Originalanstrichs orientierten sich die Baukommission und die Aargauer Denkmalpflege an historischen Fotografien und den wenigen erhalten gebliebenen Fragmenten im Sakralraum der Bünzener Kirche. Heute erfüllt die restaurierte Trompe-l’oeil Malerei wieder ihren Zweck als Augenschmaus, Überraschungsmoment sowie Unterstützung und Fortführung der Architektur. Die Fensternischen und Altäre werden dadurch perfekt in den Gesamtraum eingebunden. Der Triumphbogen im Liturgiebezirk der Pfarrkirche ist durch eine intensive und lebendige Bemalung besonders betont.
Die Kosten für die Sanierung der Pfarrkirche St. Georg und Anna beliefen sich auf rund zwei Millionen Franken. Der Bund und der Kanton Aargau übernahmen davon je 320’000 Franken. Seit dem Abschluss der Restaurationsarbeiten und der Wiedereröffnung der Kirche am 28. Juni 2014 hat das denkmalgeschützte Gotteshaus schon viele Besucher angezogen und Anlass zu viel Lob gegeben. Die Verleihung des Schweizer Denkmalpreises am 8. Dezember 2015 krönt das aussergewöhnliche und gelungene Projekt nun mit einem wohlverdienten Sahnehäubchen.
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