Rudolf von Tavel und der schönste Ort im Bernerland
VON Christine Praetorius Denkmalpflege
Nach dem Berner Schriftsteller und Journalist Otto Friedrich Rudolf von Tavel ist eine kleine Gedenkstätte auf dem Leuenberg bei Rüeggisberg benannt.
Von dort aus hat man einen herrlichen Blick in die Weite – und versteht, warum der berühmte Mundartautor diesen Platz für den schönsten im Bernerland bezeichnete.
Berndeutsche Erzählungen statt elaborierter Dramatik
Rudolf von Tavel wurde am 21. Dezember 1866 in Bern geboren und wuchs in einer konservativen Bürgerfamilie auf. Nach der Matura studierte er Kameralwissenschaft und Jurisprudenz in der Schweiz und in Deutschland. Ausserdem pflegte er auch als Student seine Liebe zur Sprache und seinen Hang zur Schriftstellerei, die ihn schon seit der Kindheit begleiteten.
Auf der Suche nach seiner literarischen Bestimmung beschritt der junge Tavel zuerst einen kreativen Holzweg, indem er sich in Berlin als Verfasser deutschsprachiger Dramen im pathetischen Stil Gustav Freytags versuchte. Schnell merkte er, dass dies weder sein Feld noch seine Feder waren. Im Jahr 1891 promovierte er in Heidelberg und kehrte bald darauf nach Bern zurück, wo er im Jahr 1894 heiratete.
Tavels Ehefrau, die Patriziertochter Adele Stettler, stand ihm bei seiner Arbeit stets zur Seite, sei es als Inspirationsquelle, ehrliche Kritikerin oder Organisatorin. Als er 1901 mit „Jä gäll, so geit’s!“ den Literaturmarkt um den ersten berndeutschen Roman aller Zeiten bereicherte, waren Leser und Kritiker des Lobes voll – und gern bereit, dem talentierten Schreiber seine Frühwerke zu vergeben.
Im Lauf seines Lebens schrieb Rudolf von Tavel vierzehn Romane und einen Novellenband – nahezu alles in Berndeutsch. Bis heute zählen seine Bücher Werke zu den meistgelesenen Schweizer Mundartwerken. Sein Nachlass befindet sich in der Obhut der Burgerbibliothek Bern, über deren Internetseite viele von Tavels Manuskripten, persönlichen Dokumenten und Zeichnungen auch online betrachtet werden können.
Gedenkstätten für Rudolf von Tavel und sein Werk
Das Ehepaar Tavel wohnte an der Schosshaldenstrasse 22 in Bern; das historische Landhaus im Tudor-Stil wurde im Jahr 1968 leider abgerissen. Auf dem Berner Schosshaldenfriedhof kann man das Grab des Schriftstellers besuchen. Bern ist auch Sitz der 2003 ins Leben gerufenen Rudolf von Tavel-Stiftung, und seit 1900 gibt es im Schosshaldenquartier den „Tavelweg“, der an des Dichters Haus vorbeiführen würde, wenn es denn noch stünde.
Eine im Jahr 1906 gegründete bernische Studentenverbindung namens Freistudentenschaft, die unter anderem Dichterlesungen organisierte, errichtete Ende der 1930er Jahre in der Gemeinde Rueggisberg eine Rudolf von Tavel-Gedenkstätte – auf dem Leuenberg, den Tavel in seinem Buch „Ds verlorne Lied“ als schönsten Ort im ganzen Bernerland bezeichnet hatte.
Hier steht, umgeben von einer Mauer, ein Findling aus Tavels Garten in der Schosshalde. Darauf ist eine bronzene Medaille angebracht, auf der Name und Bildnis des Dichters sowie seine Lebensjahre eingeschrieben sind. Die drei Ahornbäume beim Gedenkstein symbolisieren Tavel als Dichter, Mensch und Bürger. Die bronzenen Panoramatafeln wurden 1986 von der Burgergemeinde Bern gestiftet und nachträglich an der Gedenkstätte aufgestellt.
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