Warum Ardez und die Burgruine Steinsberg unter europäischem Denkmalschutz stehen

Ardez gehört zu den Vorzeigedörfern des Unterengadins. Das Dorf mit der Burgruine Steinsberg, seinem Wahrzeichen, steht unter europäischem Denkmalschutz. Es sollte deshalb in unserem Blog nicht fehlen.

Während die meisten anderen Dörfer im Engadin im Mittelalter oder in der Neuzeit von Naturkatastrophen und Bränden verwüstet wurden, blieb Ardez seit 1622 verschont. Das fast 400-jährige Dorf ist ein unschätzbarer Zeitzeuge, was Denkmalpflege und Heimatschutz zu würdigen wussten.


Haus in Ardez (Bild: Paebi, Wikimedia, CC)

Im Europajahr für Denkmalpflege und Heimatschutz, 1975, wurde Ardez neben Murten, Corippo und Martigny auserwählt, im Rahmen einer „réalisation exemplaire“ saniert und restauriert zu werden. So konnten unter Berücksichtigung denkmalpflegerischer Grundsätze an vielen Gebäuden entsprechende Arbeiten vorgenommen werden. Die imposanten, typischen Engadiner Häuser wurden zwischen 1975 und 1985 umfangreich restauriert und prägen mit den engen, gepflasterten Gassen das Bild des Dorfes, das dank seiner romanischen Wohnkultur zum Musterdorf erklärt wurde.

Zu der für die Region typischen Architektur gehören dicke Hausmauern, die breiten Einfahrten mit einem Rundbogen, die schmalen Trichterfenster, aufwendig gestaltete Erker, Fenstergitter aus altem Schmiedehandwerk und natürlich die Wandmalereien und Sgrafitti.


Piazetta in Ardez (Bild: Paebi, Wikimedia, CC)

Rückblick in die Geschichte von Ardez

Aufgrund verschiedener Funde wird angenommen, dass die Region des heutigen Ardez bereits zu prähistorischer Zeit besiedelt war. Auch aus Bronze- und Eisenzeit hat man bei Ausgrabungen Gegenstände entdeckt. Ardez wurde erstmals schriftlich im Urbar der westgermanischen Franken erwähnt. Um das Jahr 900 herrschte Karl der Grosse, weshalb davon auszugehen ist, dass die Karolinger die Erbauer der Burg Steinsberg, die in diese Zeit datiert wird, waren.

Wie aus Urkunden hervorgeht, lebten zwischen 1161 und 1310 die Herren von Ardez auf der Burg. Steinsberg wurde 1209 von Bischoff Reinher von Torre aus Chur erworben. War Burg Steinsberg anfangs Kirchenkastell, wurde sie etwa mit Beginn des 12. Jahrhunderts zum Feudalsitz. Als 1499 der Schwabenkrieg ausbrach, blieb auch die Region um Ardez nicht verschont: Die Österreicher zerstörten nicht nur das Dorf, sondern auch seine Burg. Auch der Dreissigjährige Krieg hatte 1622 verheerende Folgen: Alois Baldiron hinterliess als Oberbefehlshaber mit seinen spanisch-habsburgischen Truppen den Ort in Trümmern.


Ruinene bei Ardez (Bild: Kelvin Schafli, Wikimedia, CC)

Bis heute ist die Burgruine Steinsberg das Wahrzeichen von Ardez und thront auf einem Felsen über dem Dorf. Neben der Ruine sind auch Überreste der ehemaligen St.-Luzius-Kapelle zu sehen. Wer donnerstags in der Region weilt, sollte sich eine Führung nicht entgehen lassen. Unterhaltsam und packend werden die Besucher wöchentlich mit Sagen und Geschichten ins Mittelalter entführt, bekommen viele Informationen und können die Aussicht über die Dächer von Ardez und in die Alpenwelt des Unterengadins geniessen.

Woher der Name Ardez stammt, ist umstritten. Es konnte bis heute nicht sicher nachgewiesen werden, ob er keltischen oder rätischen Ursprungs ist. In alten Schriften wird der Ort stets als Steinsberg bezeichnet, weshalb die Gemeinde 1880 von der Regierung angewiesen wurde, sich für einen definitiven Namen zu entscheiden. Bei einer Abstimmung beschlossen die Einwohner einstimmig, dass ihr Dorf künftig Ardez heissen soll.


Burgruine Steinsberg (Bild: Adrian Michael, Wikimedia, CC)

Die reformierte Kirche von Ardez

Als erstes reformiertes Gotteshaus der Schweiz mit Emporen wurde die Kirche in Ardez unter Denkmalschutz gestellt. Bereits im Hochmittelalter gab es eine Kirche an der Stelle, wo bis heute der Neubau aus den Jahren 1576/1577 steht. Er wurde damit nach der Reformation neu erstellt. Es handelt sich um ein Langhaus mit einem Haupt- und einem Nebenschiff. Eindrücklich sind die Galerien, die, mit Arkaden verziert, den Innenraum prägen. Die Kanzel geht auf das Jahr 1577 zurück und ist noch im Original erhalten. 1818/1819 wurde eine Orgel eingebaut, die man 1968 restaurierte.

Der Turm verfügt über vier Glocken: Eine Rarität ist dabei jene aus dem Jahr 1519, die also noch aus der Zeit vor der Reformation stammt. Aus der Ötztaler Giesserei Grassmair kam 1803 eine weitere Glocke hinzu. Die beiden anderen stammen aus Staad bei Rorschach, wo sie 1909 von der Giesserei Egger angefertigt wurden.


Reformierte Kirche in Ardez (Bild: Roland Zumbuehl, Wikimedia, GNU)

Ardez und die Rhätische Bahn

Über die Geschichte der Rhätischen Bahn hat ein Kollege bereits einen informativen Artikel für unseren Blog geschrieben. Ich fahre hin und wieder für ein paar Tage nach Tirol, und die Kurzferien beginnen jeweils dann, wenn ich in Landquart in die Rhätische Bahn steige. Diese unterscheidet sich wohltuend von den überfüllten SBB-Zügen und nicht immer sauberen S-Bahnen. Die Fahrt nach Scuol verzaubert jeden Naturfreund, und die kleinen Dörfer mit ihren uralten Kirchen und prächtigen Häusern lassen allen, die sich für Heimat- und Denkmalschutz interessieren, das Herz höher schlagen. Sie finden auf www.denkmalpflege-schweiz.ch Artikel über zwei weitere geschützte Objekte, die im Unterengadin an der Linie der Rhätischen Bahn liegen: Guarda sowie das Schloss Tarasp.

In Bezug auf Ardez möchte ich noch kurz auf eine andere Seite des Bahnbaus eingehen: Die weltbekannte Bahnlinie wurde, wie auch die Strecke der Gotthardbahn, vor allem von Fremdarbeitern in harter Arbeit erbaut. Zählte das Dorf um 1800 nur ca. 600 Einwohner, kamen mit dem Baubeginn in den 80er-Jahren des 19. Jahrhunderts rund 1000 Gastarbeiter, die teilweise ihre Familien mitbrachten, hinzu.


Bahnhof in Ardez (Bild: Hansueli Krapf, Wikimedia, CC)

Gleichzeitig änderte sich natürlich das Leben in Ardez: Die Fremden wohnten in bescheidenen Unterkünften, teils im Ort, teils in umliegenden Gemeinden. 14 neue Wirtschaften wurden eröffnet, die einer strengen Wirtschaftsordnung unterlagen. Ein einzelner Polizist hatte zu der Zeit für Recht und Ordnung zu sorgen. Ardez bemühte sich, die Fremdarbeiter und ihre Familien für die Zeit, die sie im Ort waren, zu integrieren. So beantragte die Gemeinde, vorübergehend italienischen Schulunterricht zu ermöglichen. Jedoch lehnte die Regierung dies ab.

1913 kam ein grosser Tag für Ardez: Der erste Zug, der von Samedan nach Scuol fuhr, hielt im Bahnhof Ardez und wurde von der Bevölkerung mit Begeisterung gefeiert.


Ardez und die Rhätische Bahn (Bild: Markus Giger, Wikimedia, CC)

Ardez: Denkmalschutz, Heimatschutz, Naturschutz

Ardez ist eine Perle; das typische Engadinerdorf mit seinen unter Heimat- und Denkmalschutz stehenden historischen Gebäuden ist auch von einer schützenswerten Landschaft umgeben: Der WWF hat die Umgebung des Dorfes als Vorrang-Schutzgebiet auserwählt.



 

Oberstes Bild: © Adrian Michael, Wikimedia, CC

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