Denkmalpflege in der Schweiz: Der steinerne Löwe darf nicht sterben
VON Agentur belmedia GmbH Denkmalpflege Denkmalschutz
Zu den wohl beeindruckendsten und historisch bedeutendsten Denkmälern und Wahrzeichen von Luzern zählt seit seiner Einweihung 1821 ein überdimensionaler, in eine Felswand gemeisselter steinerner Löwe – auch bekannt als der „sterbende Löwe“ von Luzern.
Bereits der weltberühmte Schriftsteller Mark Twain bezeichnete den steinernen Löwen als „das traurigste und bewegendste Stück Stein der Welt”. Denn offenbar schläft der Löwe nicht, wie man annehmen könnte: Im Sterben liegend, ringt er um die letzten Minuten seines Lebens.
Ursprünglich geschaffen wurde das Denkmal zum Gedenken an die 1792 beim Sturm auf den Pariser Tuilerienpalast ums Leben gekommenen Mitglieder der Schweizergarde. Der erste Entwurf zum Mahnmal stammte vom dänischen Künstler und Bildhauer Berthel Thorvaldsen. Allerdings sollte der Löwe nicht tot sein. Vielmehr sollte er – als Zeichen für die gefallenen Mitglieder der Schweizergarde – trotz seiner schweren Verletzungen Kraft und Stärke ausstrahlen, und das ohne gefährlich und angriffslustig zu wirken. Diese Vorgaben erforderten ein besonderes Mass an Fantasie und künstlerischem Einfühlungsvermögen – und Thorvaldsen war offenbar zu jener Zeit der einzige Künstler, der sich dieser Aufgabe gewachsen sah.
Die eigentliche Idee, einen gigantischen Löwen aus einer Felswand zu erschaffen, stammte von Oberst Carl Pfyffer von Altishofen, dem damaligen Kommandanten der Schweizergarde, der 1817 mit diesem Mahnmal ein Andenken für seine im Kampf gefallenen Kameraden ins Leben rufen wollte.
Der wohl ideale Ort für den steinernen Löwen war schnell gefunden: eine gigantische Felswand ausserhalb der Stadt Luzern. Doch Oberst Pfyffers Bestreben drohte bald zu scheitern, da es kein Schweizer Künstler schaffte, die Idee des Löwen zu Pfyffers Zufriedenheit auf Papier zu bringen. Erst der dänische Bildhauer Thorvaldsen – seinerzeit berühmt für imposante Marmorskulpturen und biblische Abbildungen – sollte das Projekt ins Laufen bringen. Das Denkmal sollte eine Grösse von zehn mal sechs Metern haben, was letztendlich auch verwirklicht wurde.
Die Baupläne für den Löwen entlockten die Schweizer dem Bildhauer Thorvaldsen letztendlich für gerade einmal 300 Scudi. Im Frühjahr 1819 legte der Künstler die ersten Modelle vor. Pfyffers ursprünglicher Plan, einen bereits gestorbenen Löwen abzubilden, wurde von Thorvaldsen zurückgewiesen. In Anbetracht der Dramatik der in Paris stattgefundenen Ereignisse entschied sich der Bildhauer mit den Worten, dass der Löwe nicht tot, sondern ruhend sein müsse, für einen sterbenden Löwen.
Durch geschickte Steinmetze und Bildhauer wurde es möglich, die Skizzen und Pläne des Löwen zum „Leben zu erwecken“. Im Sommer 1819 begann der Schweizer Steinmetz Eggenschwyler mit der praktischen Umsetzung des Löwen. Als dieser jedoch kurze Zeit später durch einen Arbeitsunfall ums Leben kam, war es vor allem dem begabten Konstanzer Steinmetz und Bildhauer Lukas Ahorn zu verdanken, dass das Projekt zu Ende geführt werden konnte. So entstand in lediglich zwei Jahren ein monumentales Kunstwerk von gigantischen Ausmassen, das exakt den vorher angefertigten Skizzen entsprach.
Zehn mal sechs Meter pure Faszination in Stein gemeisselt
Der steinerne Löwe von Luzern stellt eine Kombination aus Relief und Statue dar – fest mit der dahinterliegen Felswand verbunden. Bei einer Grösse von zehn mal sechs Metern entspricht schon der Kopf des Löwen in etwa der Grösse eines Kleinkindes.
Die offizielle Einweihung erfolgte am 10. August 1821. Nachdem es Bertel Thorvaldsen nicht möglich war, bei den Festlichkeiten vor Ort zu sein, erzählte ihm der anwesende Prinz Christian Frederik von der Enthüllung des Mahnmals. Thorvaldsen Worte hierauf sollen folgendermassen gelautet haben: „Dieses Denkmal wird, selbst wenn es verwittern sollte, gleichwohl alle anderen überragen.“
Der sterbende Löwe als grosse Herausforderung für die Denkmalpflege
Noch in der heutigen Zeit fasziniert das imposante Löwenmahnmal Millionen von Menschen und verzeichnet Tausende von Besuchern. So gehört das Monument zum festen Bestandteil vieler Touristenprogramme, wie beispielsweise einer Segway-Tour durch Luzern.
Doch abgesehen von den Menschenmassen, die das Denkmal anzieht, hält es auch die Verantwortlich der Denkmalpflege Jahr für Jahr ganz schön auf Trab. Umwelteinflüsse wie Frost, Hitze oder Fliesswasser, aber auch Taubenkot und sogar Farbanschläge stellen die grössten Gefahren für den empfindlichen Sandstein dar. Damit das Denkmal noch lange so gut erhalten bleibt, ist daher ein grosser Aufwand an Pflege und Instandhaltung erforderlich.
Das an der ETH Zürich ansässige Expert-Center für Denkmalpflege untersucht daher das inzwischen über 200 Jahre alte Löwendenkmal und entwickelt anhand der hieraus gewonnenen Ergebnisse notwendige Pflege- und Instandhaltungs- sowie Sofortmassnahmen. Wochenlang wird hierzu die 30 Meter hohe Felswand fotografiert, beobachtet, kartiert und alles bis ins kleinste Detail notiert. Es geht hier schliesslich nicht um die Erhaltung irgendeines Denkmals.
Zu den grössten Gefahren für den Löwen zählen aus dem Felsen dringendes Wasser sowie kleine Bäume, deren Wurzeln im schlimmsten Fall die Wand aufbrechen. In regelmässigen Abständen werden daher entstandene Risse mit Mörtel repariert, um ein weiteres Schädigen der Felswand zu vermeiden. Gegen das drohende Sickerwasser wurde bereits im Jahre 1893 durch den ETH-Professor Ludwig von Tetmajer ein etwa 30 Meter langer Stollen um das Mahnmal herum errichtet, der das Wasser besser abfliessen lässt.
Obwohl der Löwe nach seinem mehr als 200-jährigen Dasein bereits die eine oder andere Schramme aufweist, ist er im Wesentlichen in einem sehr guten Zustand. Laut Andreas Küng, einem der führenden Denkmalpfleger des Löwenmonuments, zeigen „Felswand und Löwe […] die üblichen Verwitterungserscheinungen und der Löwe selbst liegt geschützt in der Nische“. Lediglich die aus der Vertiefung herausragenden Teile des Löwen, wie etwa die linke Pfote, sind den Wetterverhältnissen ausgesetzt und bedürfen einer regelmässigen Erneuerung.
Quellen: Wikipedia / www.michael-bartnik.de/texte/text013.html
Oberstes Bild: © CC BY-SA 2.5