Was die Burgruine Kropfenstein mit den Pueblo-Indianern verbindet

Nordamerikanische Indianer bewohnten früher Wigwams oder Wickiups. Aber ein Stamm machte eine Ausnahme. Er errichtete seine Unterkünfte aus Lehm, Mörtel, Sand und Wasser, ineinander verschachtelt: die sogenannten Pueblos. Und besonders die Pueblo-Indianer in Mesa Verde in Colorado sind durch ihre speziellen Wohnformen bekannt: Sie bauten ihre Wohnunterkünfte in überhängende Felsen. Um ein solches, an einem Felsen klebendes, Bauwerk besichtigen zu können, müssen Sie jedoch nicht nach Amerika reisen, sondern in den Kanton Graubünden. Die Burg Kropfenstein in der Surselva erinnert nämlich in ihrer Bauweise an ein Pueblo-Dorf.

Die Burgruine befindet sich auf dem Gemeindegebiet von Waltensburg, welches von einer langen Geschichte geprägt wurde.


Mesa Verde Nationalpark in Colorado (Bild: Allisunee, Wikimedia, CC)


Bevor Sie sich auf den Weg machen, die Burg zu besuchen, sollten Sie etwas Zeit einplanen, um die sehenswerte reformierte Kirche Waltensburgs zu besichtigen. Die Kirche, welche den Heiligen Desiderius und Leodegar geweiht ist, war im 11. Jahrhundert als Kapelle errichtet worden. Ein Turm, welcher von einem frühen Bauwerk erhalten geblieben war, wurde integriert: Seit einer Erweiterung der Kirche im Jahre 1330 wird der ehemalige Wehrturm als Glockenturm genutzt. Rund 120 Jahre später fanden die nächsten Bauarbeiten statt: Die Kirche musste noch weiter vergrössert werden.

Im Chor wurde in der Spätgotik ein Fenster eingebaut. Aus jener Zeit stammt auch der Eingang zur Sakristei. Der Umbau der Kirche ging auch in den folgenden Jahrhunderten weiter: Im Jahre 1711 wurde die Holzdecke ersetzt und eine neue Empore erstellt. Die barocke, zwiebelförmige Kuppel, welche der Turm bis heute trägt, wird auf Anfang/Mitte des 18. Jahrhunderts datiert. Sie können in der Kirche noch einige weitere Zeitzeugen aus verschiedenen Epochen entdecken: Aus dem 17. Jahrhundert stammen der Taufstein sowie die vieleckige Kanzel. 1750 erhielt die Kirche eine neue Tür, die mit sehenswerten Intarsien belegt ist.


Reformierte Kirche Waltensburg – Aussenansicht. (Bild: Mac-christian, Wikimedia, GNU)


Ausserdem sind die Waltensburger stolz auf die grossartigen Bilder und Fresken, die in ihrer Kirche zu bestaunen sind und die in vier verschiedenen Epochen entstanden. Gleich beim Eingang sehen Sie einen Gedenkstein. Er ehrt Anton Cadonau, der als vermögender Bürger des Ortes die Renovation und Restauration der Bilder im Jahre 1932 grosszügig mitfinanzierte. Diese Bilder sind von enormem Wert. Einige wurden noch vor Mitte des 14. Jahrhunderts gemalt. Allerdings waren sie lange Zeit nicht zu besichtigen. Verdeckt unter einer dünnen Kalkschicht, blieben sie nämlich bis 1932 verborgen.

Die Kirche in Waltensburg ist zuletzt 2009/2010 restauriert worden. Dies war dringendst notwendig, da die Holzbalken und das Dach in extrem schlechten Zustand waren und die wertvollen Wandmalereien bedrohten. Zudem hatten sich Fledermäuse eingenistet und mit ihrem Kot zusätzlichen Schaden angerichtet. Da diese Tiere ebenso wie die Kirche geschützt sind, zudem grosse Summen für das Restaurationsvorhaben benötigt wurden, sah man sich gleich vor zwei Problemen stehen. Mit grosszügigen Spenden beteiligten sich unter anderem Bürger und Touristen und auch die Denkmalpflege wurde eingeschaltet. So kamen letztendlich die Tiere zu einer neuen Heimat und das geschützte Kulturgut konnte gerettet werden.


Reformierte Kirche Waltensburg – Innenansicht. (Bild: Mac-christian, Wikimedia, GNU)


Nach diesem interessanten Ausflug in die Geschichte der Waltensburger Kirche beginnt der kurze, ca. 15-minütige Spaziergang zur Burgruine Kropfenstein. Sie ist zwar nicht die einzige Bündner Felsenburg, aber keine andere hat einen so beschwerlichen bzw. abenteuerlichen Zugang. Der Weg wurde bereits in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts verbreitert und gesichert. Trotzdem sind Schuhe mit gutem Profil empfehlenswert und jüngere Kinder sollten nicht ohne Aufsicht bleiben. Der etwas mühsame Zugang zur Burg lässt vermuten, dass hier früher Schmuggler und Räuber Ihr Quartier hatten, dem ist aber gar nicht so: Die Kropfensteiner waren eine wohlhabende Bündner Familie, die hier, wie kulturgeschichtliche Funde bezeugen, ein gemütliches und für die Zeit durchaus luxuriöses Zuhause hatten. Eine solche Nutzung einer Grottenburg war eher unüblich, da die meisten ähnlichen Burgen als Zuflucht und nicht als ständiger Wohnort dienten.

Kropfenstein wurde wahrscheinlich Ende des 13. Jahrhunderts erbaut, urkundlich belegt ist ihre Entstehung jedoch nicht. Die hintere Wand und ein Teil des Daches werden vom Felsen gebildet. Diesem natürlichen Schutz ist es zu verdanken, dass trotz des hohen Alters der Gemäuer die Witterung ihm nicht so zusetzen konnte, wie das bei einer frei stehenden Burg der Fall gewesen wäre. Burg Kropfenstein klebt wie ein Adlernest an einem überhängenden Felsen, ist dreigeschossig und besteht heute nur noch aus einem einzigen, relativ grossem Raum. Man kann aber noch gut erkennen, wie die Räume früher angelegt waren. Ausserdem gab es einen langen und schmalen Zugang, in welchem eventuell Ware gelagert wurde. An den oberen Stockwerken sind noch die Schiessscharten zu sehen.


Burgruine Kropfenstein Innenraum (Bild: Adrian Michael, Wikimedia, GNU)


Leider fehlen schriftliche Überlieferungen über den Bau und die Geschichte der Burg Kropfenstein. So kann nur vermutet werden, dass sie vom 13. bis 15. Jahrhundert bewohnt war. Es gibt Texte, welche die Barone von Kropfenstein erwähnen. Diese nahmen den Namen ihrer Burg an und sollen dort bis zum Ende des Mittelalters gelebt haben. Die Herren von Kropfenstein waren eine im Bündner Oberland sehr angesehene Familie. Nach deren Aussterben gegen Ende des 15. Jahrhunderts blieb die Burg unbewohnt und war dem Verfall preisgegeben. Schuld daran waren wahrscheinlich der beschwerliche Zugang und die Lage in einer düsteren Höhle.

Burg Kropfenstein gehört zu den Kulturgütern von nationaler Bedeutung im Kanton Graubünden. Sie ist von Mai bis Oktober frei zugänglich. Wenn Sie die Gelegenheit haben, sollten Sie diesem aussergewöhnlichen Zeitzeugen einen Besuch abstatten. Eine solche Burgruine kann man schliesslich nicht häufig finden. Wahrscheinlich werden Sie hier nicht stundenlang verweilen, deshalb empfehle ich Ihnen, anstelle des kurzen Weges retour nach Waltensburg, weiter bis Brigels zu wandern. Dafür sollten sie etwa 1 ½ Stunde einplanen. Der Wanderweg führt überwiegend über Naturstrassen, auf welchen es kaum Verkehr hat.



Auch Brigels verfügt über interessante Bauwerke, von denen viele unter Schutz stehen. Falls Sie nicht sofort zurückreisen müssen und vielleicht sogar in der Surselva übernachten, machen Sie doch einen Rundgang durch das Dorf und einen Abstecher auf den Burghügel St. Eusebius.

 

Oberstes Bild: Waltensburg – Gemeinde im Schweizer Kanton Graubünden. (© Adrian Michael, Wikimedia. GNU)

author-profile-picture-150x150

Mehr zu belmedia Redaktion

belmedia hat als Verlag ein ganzes Portfolio digitaler Publikums- und Fachmagazine aus unterschiedlichsten Themenbereichen aufgebaut und entwickelt es kontinuierlich weiter. Getreu unserem Motto „am Puls der Zeit“ werden unsere Leserinnen und Leser mit den aktuellsten Nachrichten direkt aus unserer Redaktion versorgt. So ist die Leserschaft dank belmedia immer bestens informiert über Trends und aktuelles Geschehen.

website-24x24
jQuery(document).ready(function(){if(jQuery.fn.gslider) {jQuery('.g-18').gslider({groupid:18,speed:10000,repeat_impressions:'Y'});}});