Bauernhäuser in Zürich – Zeitzeugen der landwirtschaftlichen Geschichte von Stadt und Kanton

Als ich vor ein paar Jahren aus der Stadt Zürich in die Agglomeration zog, fiel mir sofort das alte Bauernhaus in unserer Strasse auf. Es war offensichtlich schon mehrere Jahre unbewohnt und vor dem Haus standen ein schöner alter Steinbrunnen und ein stolzer Kastanienbaum.

Ich dachte mir oft: Sobald ich im Lotto gewinne, kaufe ich das und lasse es mir umbauen und renovieren. Natürlich hat das nicht geklappt, ich konnte Baum, Brunnen und Haus nicht retten: Als ich eines Tages aus den Ferien zurückkam, waren alle drei verschwunden. Die so entstandene leere Fläche wird die Gemeinde wohl nicht als Spielplatz oder Park für uns Anwohner nutzen. Ich befürchte, bald wird dort ein moderner Wohnblock stehen.

Natürlich muss gerade im Kanton Zürich etwas getan werden, um den rasant steigenden Bevölkerungszuwachs Rechnung zu tragen. Neuer Wohnraum muss her, das ist klar. Wahrscheinlich würde manch ein Bauherr gerne alte Häuser ungeachtet deren Geschichte abreissen lassen, um Neubauten zu erstellen. In Zürich wird immer irgendwo gebaut, ein gutes Beispiel ist Zürich West. Von aussen schmucklos, von innen mit allem Komfort versehen, wurden und werden mehrere Hochhäuser gebaut, welche vor allem im oberen Preissegment Käufer und Mieter suchen. Und trotzdem in der Stadt Wohnraum Mangelware ist, stehen viele dieser neu erstellten Wohnungen leer. Man wohnt hier sehr anonym, es fehlen Grünflächen und die Verkehrsbelastung ist gross. Nicht gerade ideal für Familien oder ältere Menschen.


Ehemaliges Bauernhaus, sogenanntes Hablützelhaus, in Illnau-Effretikon (Bild: Roland zh, Wikimedia, CC)


Glücklicherweise werden Heimatschutz und Denkmalpflege dort aktiv, wo historische Gebäude und alte Bauernhäuser vor dem Neubauwahn geschützt werden müssen. Bereits 1954 bewilligte der Zürcher Regierungsrat 10‘000 Franken zur Erforschung der ländlichen Bau- und Siedlungsformen. Schon damals wurde erkannt, dass viel historische Bausubstanz unwiederbringlich verloren geht, wenn nichts zu deren Schutz getan wird. Besonders in den Gebieten der Agglomeration führte die fortschreitende Bautätigkeit dazu, dass vor allem Bauernhäuser, wertvolle Zeitzeugen ländlichen Lebens, einfach abgerissen wurden. Inzwischen arbeiten Bauernhausforschung und Denkmalpflege eng zusammen, was schon manches Haus und seine Geschichte vor der Vernichtung rettete.

Investoren in Zürich West mussten nun lernen, dass die Zahlungsbereitschaft trotz Wohnungsnot nicht unendlich ist. Es sind immer mehr Menschen bereit, anstelle Tausende Franken monatliche Miete für ein unpersönliches Zuhause zu zahlen, in ein individuelles Eigenheim zu investieren. Die traditionelle Bauweise und der Charme alter Häuser, in welchen schon Generationen vor uns lebten, entsprechen dem Trend zum individuellen Wohnen in einem Umfeld, in dem man die Nachbarn noch kennt und grüsst. Nicht jeder hat das Glück, ein Haus oder gar ein Bauernhaus zu erben. Aber noch immer stehen runtergekommene alte Häuser leer. Mit den richtigen Architekten und Bauleuten an der Seite lässt sich ein solches zu einem persönlichen Traumhaus umbauen.


Bauernhaus in Marthalen ZH (Bild: Paebi, Wikimedia, CC)


Was in Zusammenarbeit mit Heimatschutz und Denkmalpflege möglich ist, zeigt das Beispiel eines 170-jährigen Bauernhauses aus Volketswil. Im Mai 2012 widmete die Sonntagszeitung diesem Projekt einen Artikel. Der Architekt Remo Altdorfer hat sich auf den Umbau von Einfamilienhäusern, besonders Bauernhäusern, spezialisiert. Als er das Gebäude im Pfarrain in Volketswil entdeckte, war es in äusserst schlechtem Zustand. Es reizte ihn, hier für seine Familie ein Zuhause zu errichten, in dem sich Jung und Alt wohlfühlen können. Die Auflagen von Heimat- und Denkmalschutz waren nicht einfach zu erfüllen, aber Lösungen wurden gefunden. Der Kachelofen und die Hauptfassade stehen unter Heimatschutz und dürfen nicht verändert oder entfernt werden. Sie wurden in das Bauprojekt integriert. Heute lebt die Familie hier in ihrem einzigartigen Heim.

Auch in Zürich selbst gibt es immer noch Bauernhäuser, wichtige Zeugen aus der landwirtschaftlichen Geschichte der Stadt. Wer heute durch die lebhaften Strassen flaniert, ahnt nicht, dass noch vor 200 Jahren mehr als 90 % des Stadtgebietes Bauernland war. Die Archäologie erforscht und dokumentiert das bauliche Erbe auf dem Terrain der Stadt. Teilweise geht die Bausubstanz bis in das späte Mittelalter zurück. Es ist nicht ungewöhnlich, auf Stadtgebiet Ställe, Scheunen oder Speicher zu entdecken. Selbst Hofläden lassen sich finden. Und diese entsprechen ebenso, wie das Leben in Bauernhäusern, dem steigenden Wunsch nach Ursprünglichkeit.


Ehemaliges Bauernhaus mit Scheune in Volketswil (Bild: Ponte1112, Wikimedia, CC)


Ein Beispiel für die hervorragende Integration alter Bauernhäuser ins Stadtbild und die vorbildliche Arbeit der Denkmalpflege und des Heimatschutzes ist das Albisrieder Dörfli. Eine Augenweite bietet das auffallende Bauernhaus, welches 1539 erstellte wurde. Noch heute dient es als Wohnhaus. Wegen seines Seltenheitswertes ist es in der Buchreihe „Baukultur in Zürich“, erschienen im NZZ-Verlag, erwähnt. Seit den 90er Jahren steht es als schützenswertes Gebäude unter Denkmalschutz. Zwar wehrte sich die Eigentümerschaft dagegen und bekam vom Verwaltungsgericht und der Baurekurskommission Recht. Das Bundesgericht sprach aber dem Stadtrat eine Entscheidungskompetenz zu, welche sich auf das fachliche Urteil der Denkmalpflege stützt.

In einer stetig wachsenden Stadt wie Zürich muss gründlich abgeklärt werden, welche Gebäude unter Schutz stehen und wo Platz für Neubauten geschafften werden kann. Wertvolles und Geschichtsträchtiges zu erhalten und sich gleichzeitig weiterzuentwickeln, ist eine verantwortungsvolle Aufgabe, die das Hochbaudepartement gemeinsam mit der Denkmalpflege zu bewältigen hat.

 

Oberstes Bild: Ehemaliges Bauernhaus, Volketswil (© Ponte1112, Wikimedia, CC)

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