Grabstätten als wichtige Zeugen vergangener Zeit

Grabstätten, Grabsteine, Grabmale und Gruften sind unbestritten Denkmäler, um die sich in besonderen Fällen der Schweizer Denkmalschutz kümmert. Allerdings gibt es nur wenige historische Grabmale. Warum das in Zürich so ist, wird in diesem Bericht erklärt. Von der Denkmalpflege profitieren heute Grabstätten, um deren Erhalt sich keine Nachfahren kümmern können, insbesondere Grabstätten, die berühmte Persönlichkeiten beherbergen oder die in ihrer Gestaltung kulturhistorischen Wert besitzen.

Wer denkt, die Denkmalpflege kümmert sich nur um historische Gebäude, technische Denkmäler oder alte Skulpturen, wird hiermit eines Besseren belehrt. Allein in der Stadt Zürich wurden im vergangenen Jahr 321 Gräber aus dem 19. und 20. Jahrhundert unter Denkmalschutz gestellt. Das wurde auch höchste Zeit! Zürich verfügt über insgesamt sieben städtische Friedhöfe, von denen einige wahre Kleinode sind, deren Gestalter zahlreiche Preise einheimsen durften. Auch eine Gartenanlage kann kulturhistorisch wertvoll sein und unter Denkmalschutz stehen, wie beispielsweise der Seeburgpark Kreuzlingen, über den wir erst kürzlich berichteten.


(1) Grabmal für August Bebel auf dem Friedhof Sihlfeld in Zürich; (2) Das Grab von James Joyce in Zürich auf dem Friedhof Fluntern. (Bilder: (1)Florian Hoffmann, Wikimedia, GNU; (2) Lars Haefner, Wikimedia, GNU)


Berühmte Persönlichkeiten und berühmte Grabmale

Historische Grabmale sind in Zürich sehr selten, weil aufgrund der zwinglianischen Bestattungsbräuche Gräber nach einer gewissen Zeit neu besetzt wurden, die Angehörigen entsprechend neue Grabmale erstellten oder die Friedhöfe einfach eingeebnet wurden. In ganz Zürich sind keine Gräber zu finden, die älter als 150 Jahre sind, von wenigen Gruften und Mini-Kapellen einmal abgesehen. Dennoch sind auf nahezu jedem Zürcher Friedhof bekannte Persönlichkeiten der neueren Zeit beerdigt, die in entweder in der Schweiz gelebt oder gewirkt haben: James Joyce (1882–1941), August Bebel (1840–1913), Friedrich Glauser (1896–1938) oder Gottfried Keller (1819–1890). Diese Grabstätten werden nun bewahrt und von der Denkmalpflege klassifiziert.

Die Grabstätte des berühmten Dichters und Revolutionärs Georg Büchner (1813–1837), dem Verfasser von Dantons Tod, Woyzeck, Leonce und Lena, befindet sich jedoch auf einem Platz, der längst kein Friedhof mehr ist. Der alte Friedhof Krautgarten am Hirschengraben wurde 1875 eingeebnet. Auf dem ehemaligen Friedhofsgelände befindet sich heute das Kunsthaus Zürich. Büchners Grabstätte wurde damals auf den Germaniahügel am Rigiblick verlegt, wo es sich noch heute befindet. Zum 200. Geburtstag Büchners im Oktober vergangenen Jahres wurde eine neue Linde an sein Grabmal am Rigiblick gepflanzt. Den auch als Naturwissenschaftler bekannten Büchner, der mit nur 23 Jahren viel zu früh an Typhus starb, hätte es sicher gefreut.


Die Grabstätte des berühmten Dichters und Revolutionärs Georg Büchner (Bild: Paebi, WIkimedia, CC)


Der Friedhof Enzenbühl, der bis ins Gemeindegebiet Zollikon reicht, beherbergt die Grabstätte der Zürcher Industriellenfamilie Abegg um 1900, die beinahe antik anmutet. Verantwortlich für die altertümliche Aura ist der italienische Bildhauer Leonardo Bistolfi, der lebensgrosse Frauenskulpturen in trauernden Posen in Stein meisselte. Es gibt noch mehr spektakuläre Gräber auf dem Friedhof Enzebühl, die schützenswürdig sind. Das Grab der Familie Gröhner ist mit einer Auferstehungsszene aus Bronze geschmückt, die der Künstler Otto Münch geschaffen hat.

Damit diese Denkmäler auch in Zukunft erhalten werden können, hat die Stadt Zürich in den sechs öffentlichen Friedhöfen insgesamt 321 Grabstätten neu unter Denkmalschutz gestellt. Bislang waren lediglich 370 Gräber und Teile der Anlage des Friedhofes Sihlfeld geschützt. Die siebente Ruhestätte, der älteste noch in Benutzung befindliche Friedhof Hohe Promenade, ist nicht etwa für die Öffentlichkeit gesperrt, doch es handelt sich um einen Privatfriedhof, dessen Kulturgüter und Grabmale von den Eignern, einem Verein ehemals reicher Bürger, selbst bewahrt werden.

Meinrad Huber vom städtischen Bestattungs- und Friedhofamt ist froh über die Entwicklung der Denkmalpflege. Auch unscheinbare Grabstätten können somit in den Genuss öffentlicher Fördermittel kommen, wenn darin berühmte Persönlichkeiten liegen. Es wäre schade, die Gräber der Familien Joyce oder Escher verkommen zu lassen. Ein von Karl Moser gestalteter Sarkophag als Grabschmuck für die Familie Meyer-Müller auf dem Friedhof Nordheim besitzt zum Beispiel einen hohen künstlerischen Wert, ohne historischen Hintergrund. Der Architekt Karl Moser (1860–1936) hat auch mehrere Kirchen in der Schweiz entworfen. Bei den neuen denkmalgeschützten Grabstätten geht es jedoch nur um die baulichen Teile, in den Böden liegen keine Gebeine mehr. Die Gräber können neu gemietet werden.


Grab von Gottfried Keller auf dem Zürcher Friedhof Sihlfeld (Bild: Berger, Wikimedia)


Auflistung der städtischen Friedhöfe Zürich:

  • Friedhof Eichbühl, Stadtteil Altstetten, angelegt ab 1968 nach Plänen von den Gartenbauarchitekten Fred Eicher und Ernst Graf.
  • Friedhof Enzenbühl, angelegt ab 1900 nach Plänen von Arnold Geiser, spätere Erweiterung durch Walter und Oskar Mertens.
  • Friedhof Fluntern, Zürichberg, 1887 nach barockem Vorbild von der Gemeinde selbst angelegt.
  • Privatfriedhof Hohe Promenade, ältester Friedhof Zürichs, 1848 angelegt.
  • Friedhof Manegg, Quartier Wollishofen, seit 1897, Wandrelief von Augusto Giacometti in der Kapelle.
  • Friedhof Nordheim, besteht seit 1899 und beherbergt das einzige noch funktionierende Krematorium der Stadt.
  • Friedhof Sihlfeld, Zürich-Wiedikon, 1877 nach den Plänen von Stadtbaumeister Arnold Geiser erbaut, grösste geschlossene Parkanlage der Stadt Zürich.

 

Oberstes Bild: Friedhof Sihlfeld in Zürich (© Jürg-Peter Hug, Wikimedia, CC)

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Mehr zu Claudia Göpel

Als gelernte Zahntechnikerin schreibe ich exzellent recherchierte Texte rund um die Themen Zahnmedizin, Allgemeinmedizin, Geriatrie und Gesundheit.
Sie profitieren mit mir als Auftragstexterin zudem von einem reichen Erfahrungsschatz in den Berufsbereichen Gastronomie, Kultur und Recht. Blog- und Fachartikel über Kinder, Tiere (Hunde, Katzen, Vögel, Fische, Reptilien, Kleinsäuger, Vogelspinnen), Pflanzen, Mode, Möbel und Denkmalschutz schreibe ich ebenfalls mit Begeisterung und reichlich Hintergrundwissen.
Zum Ausgleich verfasse ich in meiner Freizeit Kriminalstorys sowie erotische Kurzgeschichten, die unter dem Pseudonym Anastasia in zahlreichen Büchern und Erotik-Magazinen veröffentlicht sind. Ausserdem bin ich seit vielen Jahren ehrenamtlich als Klinikclown für kranke Kinder in deutschen Krankenhäusern und Hospizen aktiv.

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