Historisch leben: Die Bären in Bern haben es gut

Nicht nur die Braunbären Björk, Finn und Ursina sollen sich wohlfühlen, auch den Gästen wird das denkmalgeschützte Areal an der Aare-Schleife bald auf dem Silbertablett serviert. Buchstäblich. Bis 2015 sollen nämlich auch Rollstuhlfahrer einen barrierefreien Zugang zu der terrassenartigen Anlage bekommen. Demnächst können Menschen mit Handicap das Berner Wappentier in dreifacher Population ganz aus der Nähe und ganz ohne Hilfe eines Rollstuhlführers besichtigen. Dieser Service musste bislang vorher angemeldet werden.

Jetzt fehlen nur noch ein paar öffentliche Toiletten für das menschlichste aller Bedürfnisse. Den Bären ist die WC-Misere in der Berner Altstadt völlig egal. Sie pieseln dorthin, wo es ihnen gerade passt, und markieren so ihr Revier im BärenPark Bern.

Begleiten Sie uns auf einen unterhaltsamen und informativen Ausflug in die Geschichte des Bärenparks aus Sicht der Denkmalpflege. Aber gehen Sie vorher vielleicht Ihr kleines Geschäft erledigen, denn fünf Minuten können ganz schön lang werden, wenn die Blase drückt.


Im Berner Bärenpark 2014 (Bild: Sailko, Wikimedia, CC)


Vom tristen Bärengraben zum offenen Bärenpark

Die allererste Erwähnung eines Bärengrabens am Käfigturm in Bern stammt aus dem Jahr 1441. Ein Bärengraben diente im Mittelalter der Abschreckung und war eine eher seltene Einrichtung. Der oder die Bären sollten Burgen und Schlösser der Landherren vor Eindringlingen schützen, galten den meisten Herren jedoch eher als Statussymbol: „Schaut, was ich mir leisten kann.“

Die Unterbringung der grossen Tiere in dem gemauerten Graben war aus heutiger tierschutzrechtlicher Sicht erbärmlich. Meist erhielten sie nur einen Teilabschnitt des Rondells – ringsum triste Mauern und von oben wurden sie begafft, ein Bärenleben lang. Viele Leute meinten, dass es den Tanz- und Zirkusbären fast besser ging, denn die hatten wenigstens Beschäftigung. Dass den Bären angeblich auch Menschen zum Frass vorgeworfen wurden, konnte historisch nicht belegt werden. Über solche Vorfälle gibt es keine Aufzeichnungen. Unfälle hingegen gab es im BärenPark Bern einige, wie in den Archiven nachzulesen ist.


Der Bärengraben und die Altstadt von Bern um 1880 (Wikimedia)


Die gegenwärtige, modernisierte Anlage ist bereits der vierte Bärengraben. Dieser wurde ursprünglich im Jahr 1857 neu errichtet und erhielt 1925 einen zusätzlichen, kleineren Graben für die Aufzucht von Jungtieren. Auch Stallungen gab es inzwischen, damit sich die Bären zurückziehen konnten. Diese wurden in den 1970er-Jahren saniert. In dieser Zeit spielte sogar James Bond in der Anlage, die somit durch den Streifen „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“ kurzzeitig der ganzen Welt sichtbar gemacht wurde.

Ab diesem Zeitpunkt wurden jedoch auch die kritischen Stimmen lauter, die eine Schliessung des historischen Bärengrabens forderten. Darin wäre keine artgerechte Tierhaltung möglich, und überhaupt gehörten Bären in die Wälder. Die Tierschützer hatten sicher recht, liessen jedoch ausser Acht, dass sämtliche Bären in Gefangenschaft geboren worden waren und in Freiheit gar nicht zurechtgekommen wären. Vor der Jahrtausendwende stand das Fortbestehen des Bärengrabens auf der Kippe.


Bärengraben in Bern um 1900 (Bild: Detroit Publishing Company, Wikimedia)


Akzeptierte Tradition: Die Berner lieben ihre Bären

In den Achtzigerjahren wurde die Trennmauer im grossen Graben entfernt, der Betonboden erhielt ein natürliches Substrat, es wurden Kletter- und Spielmöglichkeiten geschaffen, und die Bären hatten insgesamt etwas mehr Platz. Aber es war immer noch ein Graben, der von oben eingesehen wurde und den Bären viel Stress bereitete, wie Tierschützer immer wieder anmerkten.

Doch die Berner Bürger liebten ihr Wappentier und machten sich Gedanken um den Fortbestand unter verbesserten Bedingungen. 2004 stimmte endlich der Berner Stadtrat einem Projektierungskredit für die Erweiterung des historischen Bärengrabens zu. Aus dem nicht mehr zeitgemässen Graben sollte ein Park entstehen – ein architektonisches Kleinod, das mit der Natur und den Bedürfnissen der Braunbären in Einklang stand und auch dem Tierschutz gefiel.

Das Vorhaben ist gelungen. Der BärenPark Bern wurde 2009 eröffnet. An einen tristen Graben erinnert längst nichts mehr. Die Kosten sind zwar explodiert – aus den ursprünglich geplanten 9,7 Millionen wurden 24 Millionen Schweizer Franken – aber es hat sich gelohnt. Für die Bären ganz besonders. Den Tieren steht jetzt ein 6000 Quadratmeter grosses Freigehege mit einem von der Aare gespeisten Wassergraben zur Verfügung. Artgerechte Futterplätze, mehrere Schlafhöhlen und Klettermöglichkeiten wurden geschaffen.


Berner Bärenpark 2010 (Bild: Geri340, Wikimedia, CC)


Hierfür wurde der neben dem ehemaligen grossen Bärengraben liegende Aarehang gestaltet. Der alte Graben selbst ist durch einen Tunnel zugänglich. Die Bären können, müssen ihn aber nicht nutzen. Ursprünglich sollte er abgerissen werden, doch der historische Bärengraben wurde, wie auch die gesamte Altstadt, als Kulturgut von höchster nationaler Bedeutung eingestuft.

Im kleinen Bärengraben findet übrigens seit 2009 Kultur statt. E kann auch für Veranstaltungen gemietet werden. Auf einem sicheren Besucherweg dürfen Einheimische und Touristen nun durch das Parkgelände spazieren und die drei Bären in ihrem neuen, artgerechten Gehege beobachten.

Allerdings ist die untere Anlage nur über Treppen zu erreichen, obwohl in der Baubewilligung von 2007 schriftlich festgelegt wurde, dass ein barrierefreier Zugang für den gesamten Park ermöglicht werden muss. Dafür war von der Endsumme von 24 Millionen Schweizer Franken wohl nichts mehr übrig. Die Wahrheit ist jedoch simpel: Bei der Planung der neuen Anlage wurde einfach nicht daran gedacht. Rollstuhlfahrer konnten nur (wie früher) von oben auf die Bären herabblicken.



Der barrierefreie Zugang für Rollstuhlfahrer soll nun bis 2015 fertiggestellt werden. Die Behindertenkonferenz Bern (BRB) hat im Zusammenwirken mit der Procap Schweiz den Einbau eines Schrägliftes als akzeptable Alternative für den Bärenpark erwirkt. Bleibt zu hoffen, dass die Verantwortlichen der Stadt diesmal zeitgleich an die Errichtung von frei zugänglichen öffentlichen WC-Anlagen denken. Über die Toilettenmisere in der Berner Altstadt haben wir ja bereits berichtet: WC-Notstand in Bern – was hat die Denkmalpflege damit zu tun?

 

Oberstes Bild: Der neue Bärenpark in Bern von der Nydeggbrücke aus (© Хрюша, Wikimedia, CC)

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Mehr zu Claudia Göpel

Als gelernte Zahntechnikerin schreibe ich exzellent recherchierte Texte rund um die Themen Zahnmedizin, Allgemeinmedizin, Geriatrie und Gesundheit.
Sie profitieren mit mir als Auftragstexterin zudem von einem reichen Erfahrungsschatz in den Berufsbereichen Gastronomie, Kultur und Recht. Blog- und Fachartikel über Kinder, Tiere (Hunde, Katzen, Vögel, Fische, Reptilien, Kleinsäuger, Vogelspinnen), Pflanzen, Mode, Möbel und Denkmalschutz schreibe ich ebenfalls mit Begeisterung und reichlich Hintergrundwissen.
Zum Ausgleich verfasse ich in meiner Freizeit Kriminalstorys sowie erotische Kurzgeschichten, die unter dem Pseudonym Anastasia in zahlreichen Büchern und Erotik-Magazinen veröffentlicht sind. Ausserdem bin ich seit vielen Jahren ehrenamtlich als Klinikclown für kranke Kinder in deutschen Krankenhäusern und Hospizen aktiv.

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