WC-Notstand in Bern – was hat die Denkmalpflege damit zu tun? Teil 2

Die Denkmalpflege ist in Bern nicht nur zuständig für den Erhalt wertvoller Bausubstanz, sondern hält auch ihre schützende Hand über die Einhaltung eines harmonischen Stadtbildes. Urinalstände und Dixi-Klos stören das historische Ambiente und sollen deshalb verschwinden.

Dem Berner Denkmalpfleger Jean-Daniel Gross deshalb den Schwarzen Peter für die Toiletten-Misere zuschieben zu wollen, wäre aber der falsche Ansatz. Denn er hat recht: Es müssen mehr öffentliche Toilettenanlagen gebaut werden!


Dies ist ein Bericht über den WC-Notstand in Bern in zwei Teilen. Hier das Inhaltsverzeichnis:

Teil 1: WC-Notstand in Bern – was hat die Denkmalpflege damit zu tun?

Teil 2: WC-Notstand in Bern – was hat die Denkmalpflege damit zu tun?


Touristen haben keinen Blick für Sehenswürdigkeiten und Baudenkmäler

Jährlich verzeichnet Bern knapp 700.000 Übernachtungen. Diese Touristen haben wenigstens ein eigenes WC auf dem Zimmer. Für die Tagesgäste herrscht weiterhin Notstand. Wen interessiert schon die mittelalterliche Struktur der wundervollen Altstadt, die übrigens seit 1983 zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört, oder die berühmten elf Figurenbrunnen aus dem 16. Jahrhundert, wenn das Bedürfnis übermächtig wird. Fotografieren ist unter Druck ohnehin nicht möglich – die Bilder verwackeln. Es wurden schon verzweifelte Fremde gesichtet, die sich am hellichten Tag in einem der historischen Figuren-Brunnen erleichterten. Es gibt in Bern noch etwa 100 weitere Brunnen. Einige davon liegen versteckt in engen Gässchen. Wenn die Blase drückt, geht der Anstand verloren. Wildpinkler werden übrigens äusserst selten mit einem Ordungsgeld belegt.


Wenn die Blase drückt, haben Touristen keinen Blick für Berner Sehenswürdigkeiten (Bild: Andrew Bossi, Wikimedia, CC)


Das Problem der fehlenden öffentlichen Toiletten ist seit zehn Jahren bekannt. Die Zuständigkeit dieser Angelegenheit liegt bei den Stadtbauten Bern (StaBe). Jedes Jahr im Mai, manchmal auch im Juni, steht das Toiletten-Problem dort ganz oben auf der Sitzungsliste. An einer Lösung wird nicht ernsthaft gearbeitet. Ob es wirklich an den Denkmalschutzbestimmungen liegt, bezweifeln Einheimische und Besucher längst. Am fehlenden Geld kann es ebenfalls nicht liegen, denn Bern ist eine wohlhabende Schweizer Stadt. Das Stadtsäckel ist gut gefüllt. Der Notstand schmerzt den Fiskus dennoch gewaltig, denn der Bau einer neuen Toilettenanlage kostet angeblich eine Million CHF, der jährliche Betrieb nochmals eine Viertel Million CHF.

Ist die Urinette eine neue Sehenswürdigkeit der Berner Altstadt?

Nein, aber das 1994 patentierte Hilfsmittel für Damen und Herren in Not könnte eine Alternative sein. Ein Herr namens Frohwald Poppke hat’s erfunden: das Reiseklo. Es ist klein, unscheinbar und passt in jede Handtasche. Eigentlich soll die Urinette geplagten Autofahrer im Stau helfen, ihr menschliches Bedürfnis diskret zu erledigen. Durchgesetzt hat sich das medizinische Hilfsmittel nicht. Die Urinette ist auch keine wirkliche Alternative für den öffentlichen Bereich. Aber das könnte sich ändern, wenn es die Stadt Bern nicht endlich schafft, für ausreichend Erleichterung im Stadtgebiet zu sorgen.

Dagmar Boss, Adjunktin in der Finanzdirektion, erklärt: „Eine betreute WC-Anlage im Postpark bei der Welle am Bahnhof ist im Bau. Zudem sind zwei weitere öffentliche WCs auf der Allmend geplant.“ Immerhin – ein Lichtblick. Warum vor zehn Jahren von den 60 ehemaligen öffentlichen Toiletten-Anlagen 30 abgerissen wurden, aber kein Ersatz geschaffen wurde, darauf weiss auch sie keine Antwort. Wer es besonders eilig hat, dem nützt auch der WC-Guide nichts mehr, der auf seiner Seite fein säuberlich alle öffentlichen Toiletten in der Schweiz auf dem jeweiligen Stadtplan anzeigt. Aber Besucher der Aare-Halbinsel können sich somit im Vorfeld informieren, an welchen Orten, in welchen Warenhäusern, Kinos oder Ladenstrassen es öffentlich zugängliche Toiletten gibt.


Urinette – das Reiseklo (Bild: Parisette, Wikimedia, CC)


Beliebte Märkte und Sehenswürdigkeiten locken Touristen an

Jedes Jahr im November findet in Bern der „Zibelemärit“ statt. Hier werden ausschliesslich Zwiebeln und Zwiebelkunstwerke verkauft, während ringsum Jahrmarktcharakter herrscht und die Besucher sich gegenseitig mit Plastikhämmerchen auf den Kopf hauen. Der „Zibelimärit“ ist der älteste Jahrmarkt in Bern und kann mit dem berühmten Zwiebelmarkt in Weimar verglichen werden. Weitere beliebte Märkte sind der „Granium-Märit“ (Mittwoch nach den Eisheiligen), der „Bäremärit“, der Gemüsemarkt (jeden Dienstag und Samstag) und natürlich der Weihnachtsmarkt am Münster. Für das leibliche Wohl der Gäste ist auf den Märkten, die übrigens bis in die breiten Strassen und schmalen Gassen reichen und nicht nur auf dem Rathausplatz stattfinden, reichlich gesorgt. Für die Entsorgung der umgewandelten Getränke und Speisen stehen an diesen Tagen WC-Container bereit.


Jedes Jahr im November findet in Bern der „Zibelemärit“ statt. (Bild: Robert Illes, Wikimedia, CC)


Die Hauptsehenswürdigkeit Berns ist natürlich die Altstadt, umrahmt von der Aare-Schleife. Das Areal wird unterteilt in die obere und untere Altstadt. Das Gebiet unterhalb der Zytglogge ist im Ganzen denkmalgeschützt, oberhalb befinden sich nur wenige Objekte, die älter als 150 Jahre sind. Hier wird die gesamte Altstadt liebevoll und ausführlich vorgestellt. Die unzähligen Brunnen wurden bereits erwähnt und prägen den Charakter der Stadt. Besonders hervorzuheben sind die elf historischen Figurenbrunnen. Jeder Winkel der Altstadt atmet historisches Flair, jeder Zentimeter wird genutzt. Besucher können sich im Bärenpark am Aare-Ufer neben der mittelalterlichen Nydeggbrücke entspannen und den Berner Wappentieren Björk und Ursina beim Spielen zuschauen.

 

Oberstes Bild: Toiletten-Notstand in Bern: Es wurden schon verzweifelte Fremde gesichtet, die sich am hellichten Tag in einem der historischen Figuren-Brunnen erleichterten. (© Martin Abegglen, Wikimedia, CC)

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