Das Goetheanum in Dornach

Das Goetheanum in Dornach (Kanton Solothurn), etwa zehn Kilometer südlich von Basel gelegen, steht seit 1993 unter dem Schutz der kantonalen Denkmalpflege und ist als Kulturgut von nationaler Bedeutung eingestuft. Der monumentale Bau aus Sichtbeton ist das zweite Goetheanum und wurde von 1925 bis 1928 errichtet, nachdem der Vorgänger im Jahr 1923 durch Brandstiftung zerstört worden war.

Die Entwürfe beider Häuser stammen vom Begründer der Anthroposophie, Rudolf Steiner, und erhielten ihren Namen zu Ehren von Johann Wolfgang von Goethe. Das heutige Gebäude ist Sitz der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft und Tagungsort für die Freie Hochschule für Geisteswissenschaft, dient aber wesentlich auch als Theaterbau bzw. Festspielhaus.


Großer Saal von Goetheanum (Bild: Taxiarchos228, Wikimedia, Lizenz Freie Kunst)


Die Architektur wird stilistisch meist dem Expressionismus zugerechnet und wirkt nahezu wie eine monolithische Skulptur. Besonders auffällig ist, dass Steiner bei seinem Entwurf weitestgehend auf rechte Winkel verzichtet hat. Diese Gestaltungsweise zeigt sich sowohl von aussen als auch im Inneren. Das Goetheanum wurde in der Folge ein Vorbild für die Architektur der Anthroposophen, beispielsweise für viele Waldorfschulen.

Steiner wurde 1902 Generalsekretär der Theosophischen Gesellschaft in Deutschland. Im Zuge der Organisation eines internationalen Kongresses, für den geeignete Räume benötigt wurden, begann er 1907 mit seinen architektonischen Tätigkeiten. Die damals angemietete Tonhalle in München liess er für den Kongress nach seinen Vorstellungen umgestalten. Später begann Steiner damit, als Autor und Regisseur von Theaterstücken zu arbeiten. Mit zunehmender Mitgliederzahl wuchs das Bedürfnis, einen eigenen Bau für die Gemeinschaft zu errichten, der ganzjährig genutzt werden konnte. Nach der Abspaltung von den Theosophen und der von Steiner betriebenen Gründung der europäisch-christlich ausgerichteten Anthroposophischen Gesellschaft im Jahr 1912 nahm der Plan immer konkretere Formen an.

Am 20. September 1913 wurde der Grundstein des ersten Goetheanums gelegt. In der ortsansässigen Bevölkerung betrachtete man den Bau mit Skepsis. Vor allem der Pfarrer Max Kully aus Arlesheim lehnte Steiners Lehren als Irrtum ab und stellte noch nach der Grundsteinlegung ein Gesuch an die Solothurner Kantonsregierung, dass sie die Errichtung des Gebäudes verhindern möge. Die Anthroposophische Gesellschaft erhielt darauf die Anforderung der Regierung, ihre Lehren detailliert darzustellen. Die Antwort wurde an die Kanzlei des zuständigen Bischofs weitergeleitet, wo man allerdings nichts damit anzufangen wusste. Somit verlief der Einspruch des Pfarrers im Sande.

Der Doppelkuppelbau des ersten Goetheanums wurde 1920 eingeweiht, drei Jahre später dann durch Brandstiftung zerstört. Die anschliessenden Ermittlungen ergaben, dass jemand einen Schwelbrand zwischen den Wänden gelegt hatte, der sich langsam und unbemerkt ausbreitete. Der oder die Täter wurden niemals ausfindig gemacht, wahrscheinlich stammten sie aber aus dem Kreis der Gegner der Anthroposophen.


Erstes Goetheanum (Bild: Hgilbert, Wikimedia)


Steiner begann bereits drei Monate später mit Plänen für einen Neubau. Er sollte anders aussehen als der Vorgänger und deutlich grössere Ausmasse bekommen. 1924 entstand ein erstes Modell, auf dessen Grundlage ein Architektenteam unter der Leitung von Ernst Aisenpreis verschiedene Baupläne ausarbeitete. Im September des selben Jahres erteilte der Regierungsrat nach einigen zusätzlichen Auflagen – vor allem im Bereich Brandschutz – die Baugenehmigung. Zuerst wurde Anfang 1925 der Sockel des alten Gebäudes abgetragen. Kurz danach verstarb Rudolf Steiner, so dass er die Vollendung des zweiten Goetheanums nicht mehr erlebte.

Die offizielle Eröffnung erfolgte Ende September 1929. Zuvor erfuhr der Bau ein stetig steigendes Interesse auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene. Unter anderem statteten der damalige Bundespräsident der Schweiz, Giuseppe Motta, sowie der Architekt Le Corbusier der Baustelle einen Besuch ab. Auch in der Bevölkerung wuchs die Zustimmung.

Heute gilt das Gebäude nicht nur wegen seiner immensen Grösse als herausragendes Beispiel der sogenannten organischen Architektur. Dass die Wahl auf das Material Beton fiel, hatte einerseits seine Gründe in einer besseren Sicherung gegen Feuer, aber auch, weil eine schnelle und kostengünstige Wiedererrichtung angestrebt worden war.


Goetheanum vom Süden gesehen (Bild: Wladyslaw, Wikimedia, Lizenz Freie Kunst)


Der Innenausbau zog sich länger hin als geplant. Da die Finanzierung hauptsächlich durch Spenden aus Deutschland erfolgte, stockten die Bauarbeiten vor allem in der Zeit während und nach dem Zweiten Weltkrieg. Erst Ende der 1950er Jahre wurde z.B. der Grosse Saal in Angriff genommen. Seine Fertigstellung zog sich bis in die späten 1990er Jahre hin. Zur Zeit des Rohbau wusste man zudem noch nicht viel über Beton und seine langfristigen Eigenschaften. Dünne Betonschichten und ein hoher Wasserzementwert führten zu starken Schäden, die eine umfangreiche Sanierung in Zusammenarbeit mit der kantonalen Denkmalpflege in den 1990er Jahren erforderten. Finanziert wurde wiederum hauptsächlich aus Spendengeldern bzw. Zuschüssen des Kantons.

Das Goetheanum kann nicht nur als Einzelbau gesehen werden. In seiner näheren Umgebung befinden sich mehr als 180 Privathäuser und Zweck- oder Verwaltungsbauten, die zum Teil ebenfalls einen sehr eigenwilligen Baustil aufweisen, darunter etwa das Heizhaus, das der Wärmeversorgung des Goetheanums dient, das Hochatelier, das sogenannte Glashaus oder das Haus Duldeck.


Heizhaus dient der Wärmeversorgung des Goetheanums (Bild: Taxiarchos228, Wikimedia, Lizenz Freie Kunst)


Das Goetheanum ist in der Kulturgeschichte nicht unumstritten. Es stiess auf grosse Begeisterung ebenso wie auf vollständige Ablehnung – mit dem ganzen Spektrum dazwischen. Dass es heute unter dem Schutz der Denkmalpflege steht, ist allerdings nicht umstritten.

 

Oberstes Bild: Vorderansicht des Goetheanums im schweizerischen Dornach (Bild: Wladyslaw, Wikimedia, Lizenz Freie Kunst)

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hat Germanistik, Geschichte und Philosophie studiert und ist zusätzlich ausgebildeter Mediendesigner im Segment Druck. Er schreibt seit über 30 Jahren belletristische Texte und seit rund zwei Jahrzehnten für Auftraggeber aus den unterschiedlichsten Branchen.

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