Wie das unbewohnte Kloster Maria der Engel in Appenzell weiterlebt
VON belmedia Redaktion Denkmalpflege Denkmalschutz
Haben Sie sich schon einmal gefragt, was mit Kirchen passiert, wenn diese nicht mehr genutzt werden und was mit Klöstern, wenn die letzten Bewohner gegangen sind?
Kirchenumnutzungen können ganz unterschiedlich aussehen und nicht immer wird eine befriedigende Lösung gefunden.
Kann ein Objekt nicht sinnvoll umgenutzt werden, bleibt als letzte Möglichkeit, sofern es nicht denkmalgeschützt ist, der Abriss. Mitunter wird versucht, eine Kirche zu retten, indem sie zum Verkauf ausgeschrieben wird. Der Käufer kann das Objekt profan oder kirchlich nutzen. Auch die Vermietung des Bauwerks für nichtkirchliche, also profane, Nutzung ist denkbar. Im Idealfall kann das Objekt weiterhin kirchlichen Zwecken dienen.
Wir möchten Ihnen am Beispiel des Klosters Maria der Engel in Appenzell zeigen, wie ein solches Objekt nach Auszug der letzten Bewohnerinnen in deren Sinne weitergeführt werden kann.
Kloster Maria der Engel in Appenzell
Umgeben von schützenden Mauern befindet sich das Kloster Maria der Engel ganz in der Nähe des Bahnhofs Appenzell. Obwohl die letzten fünf Kapuzinerinnen ausgezogen sind, finden Besucher hier einen gepflegten Ort der Stille, der Einfachheit und des Gebetes. Ermöglicht wird dies dank der Stiftung Kloster Maria der Engel Appenzell und eines engagierten Freiwilligenteams.
Die Geschichte des Appenzeller Kapuzinerinnenklosters
Vor 400 Jahren, nämlich 1620/21, fand erstmals ein Frauenkloster in Appenzell Erwähnung. Das ursprüngliche Gebäude wurde 1613 abgebrochen. Dort, wo es einst stand, legte man den Friedhof des Klosters an. War anfangs das gleich neben dem Kloster liegende Schloss das Heim der Klosterfrauen, so konnten sie ab 1679 in das neu errichtete und bis heute vorhandene Kloster Maria der Engel einziehen.
Die ersten Kapuzinerinnen im Appenzeller Kloster lebten zuvor in Wonnenstein und Grimmenstein. Der Name des neu erstellten Klosters beruht auf jenem der ursprünglichen Ordensfamilie Santa Maria degli Angeli, die in der Nähe von Assisi wirkte.
In bescheidener Stille pflegten die Kapuzinerinnen das Gebet und boten einen Ort des Glaubens und der Zuflucht. Neben Seelsorge nahmen sich die Schwestern allgemein den Nöten der Menschen an, leisteten wann immer möglich Hilfe und nahmen Gebetsanliegen vertrauensvoll entgegen. Sie stellten Bauland für die Öffentlichkeit, zum Beispiel für den Bau von Schulen, zur Verfügung. Zudem war Maria der Engel zwischen 1811 und 1973 ein Ort der Bildung: Das Kloster betrieb eine Mädchenschule, was für Appenzell zur damaligen Zeit einmalig war.
Der Mangel an Nachwuchs machte auch vor dem Appenzeller Kapuzinerinnenkloster nicht Halt. So traten die verbliebenen fünf Schwestern im Sommer 2007 an die Römische Kongregation heran und baten um die Aufhebung Ihres Klosters. Fast 400 Jahre nachdem die ersten Schwestern aus Wonnenstein nach Appenzell zogen, kehrten die fünf verbliebenen Kapuzinerinnen im April 2008 dorthin zurück.
Um das Kloster im Sinne der Schwestern weiterzuführen, übernahm die im März 2008 ins Leben gerufene kirchliche Stiftung Maria der Engel Appenzell die Verantwortung für die ehemalige Klosteranlage und die Nebengebäude. Der Stiftungsrat wurde verpflichtet, gemäss der Stiftungsurkunde die weitere Nutzung und den Erhalt der Gebäude sicherzustellen.
In Appenzell wird kulturelles Erbe gepflegt
Eine vom Verwaltungsrat beauftragte Verwaltung übernahm die Aufgabe, sowohl Kloster als auch Kirche zu erhalten und das rund 400-jährige kulturelle Erbe zu pflegen. Im November 2008 wurde der Verein „Freundeskreis Kloster Maria der Engel Appenzell“ gegründet, welcher sowohl die materielle als auch die ideelle Unterstützung sicherstellt. Ein Team von Mitarbeitern und Freiwilligen ist mit Freude daran, die Räumlichkeiten und den wunderschönen Klostergarten zu pflegen. Sie ermöglichen die vielseitige Nutzung im Sinne der Kapuzinerinnen.
In der Klosterkirche finden regelmässig Gottesdienste sowie kirchenjahrspezifische Feiern statt. Manchmal gibt es hier auch Taufen oder Trauungen. Die Räumlichkeiten des Klosters stehen ruhesuchenden Gästen, Pilgern sowie allen, die eine aussergewöhnliche Unterkunft suchen, für Übernachtungen zur Verfügung. Auch die Nutzung für kirchliche oder gemeinnützige Veranstaltungen ist möglich.
Kräuter, Gemüse und Früchte gedeihen im Klostergarten wie zu alten Zeiten. Liebevoll wird der Garten gepflegt und die Ernte in der Klosterküche zu Konfitüre, Tee und Senf verarbeitet. An der Klosterpforte werden diese neben weiteren nachhaltigen Produkten, Trauer- und Messbundkarten sowie gesegneten Kerzen angeboten.
Werfen Sie einen Blick hinter die Klostermauern
Rund 90 Minuten dauern die Gruppenführungen, die einen spannenden und einmaligen Einblick in das Leben der Kapuzinerinnen während rund vier Jahrhunderten geben. Die öffentlichen Führungen finden von Mai bis Oktober jeden 2. Mittwoch im Monat jeweils um 14 Uhr statt. Interessierte erfahren, wie die Schwestern in dem altehrwürdigen Kloster einst leben, und erhalten einen Einblick in das ehemalige Refektorium, das Noviziat und den Kapitelsaal sowie in kleinere Nebenräume.
Ein Tipp: Möchten Sie ein paar Tage den Alltag hinter sich lassen, bieten sich die einstigen Klosterzellen als gepflegte und original ausgestattete Einzelzimmer an.
Das Kloster Maria der Engel in Appenzell steht unter Eidgenössischem Denkmalschutz. Obwohl die Zeit ihre Spuren hinterlassen hat, ist es in gutem baulichen Zustand. Damit dies so bleibt, müssen Unterhalt und Betrieb finanziert werden. Hier spielen Freiwilligenteam und Freundeskreis eine entscheidende Rolle.
Wenn Gotteshäuser nicht mehr im kirchlichen Sinne genutzt werden können
Längst nicht immer gelingt es wie in Appenzell, ein verlassenes Gotteshaus zu bewahren und im kirchlichen Sinne weiter zu betreiben. Der Mitgliederschwund sorgt in fast allen Kantonen für leere Kirchen. Vor allem die Kantone Aargau, Solothurn und Basel-Stadt haben mit dem Problem zu kämpfen. Hier laufen, prozentual gesehen, den Kirchen die meisten Mitglieder davon. Weitere Probleme sind Gemeindefusionen und Priestermangel. Nur sofern das Bauwerk nicht unter Denkmalschutz steht, kann ein Abriss in Betracht gezogen werden.
Denkmalgeschützte Sakralbauwerke erhalten, sofern Sie nicht, wie im genannten Beispiel aus Appenzell, im eigentlichen Sinne weiter betrieben werden können, neue Aufgaben. Leerstehende Kirchen werden beispielsweise zu Cafés, Kinos oder sozialen Treffpunkten umfunktioniert oder für Konzerte genutzt.
Auch wenn nicht jeder Verständnis für diese Zweckentfremdung hat, so muss doch der kostspielige Unterhalt des alten Bauwerks gesichert werden.
Möchten Sie sich auch engagieren und mithelfen, dass kirchliche Baudenkmäler am Leben erhalten werden können? Verschiedene Schweizer Klöster und umgenutzte Kirchen bieten die Möglichkeit zur Mitarbeit. Während das Kloster Maria der Engel in Appenzell Platz im Team für weitere Freiwillige hat, finden Sie beispielsweise im Kloster Fischingen die Möglichkeit, in der Gastronomie oder Hotellerie einen interessanten Job anzutreten.
Titelfoto: Valeriy Shanin @ shutterstock.com