Museum im Palast: Geschichte am Originalschauplatz erleben
VON Christina Peege Schauplätze
Wie ein Leuchtturm weist der 1648 vollendete Freulerpalast in Näfels den Reisenden in den Gebirgskanton hinein. Der Prachtbau gehört zu den bedeutendsten Schweizer Haus- und Palastbauten des 17. Jahrhunderts. Sein Reiz liegt in der architektonischen Kombination von Merkmalen spätgotischer Giebel- und Erkerhäuser sowie der Formensprache der Renaissance.
Sein Äusseres ist mit seinen schmucken Portalen Ausdruck von Selbstbewusstsein. Die schlichte Gliederung und die zurückhaltende Farbigkeit zeigen Understatement mit Stil. Sein Inneres überrascht mit einer prächtigen Ausstattung aus Stuck, Täfer und kostbaren Intarsien.
Seit 1946 befindet sich das Museum des Landes Glarus unter seinem Dach. So können Besucher Geschichte am Originalschauplatz erleben und geniessen. Im Zweijahres-Rhythmus zeigt das Museum eine Sonderausstellung. 2016 lautet der Titel: Käppi, Kutte, Krinoline – Kleidung als Statement. Sie zeigt textile Preziosen vom Messgewand Ulrich Zwinglis bis hin zum Golddress des Glarner Ski-Abfahrtsweltmeisters 2015, Patrick Küng.
Der Freulerpalast ist Ausdruck des Standesbewusstseins seines Bauherrn Kaspar Freuler, Gardeoberst im Dienste Ludwigs XIII und XIV. In seiner Pracht ist er auch ein Mahnmal: Begonnen vermutlich 1642 und vollendet zeitgleich mit dem Ende des 30-jährigen Krieges 1648, erinnert der Bau daran, dass die damalige Eidgenossenschaft vor den verheerenden Folgen dieses Krieges verschont geblieben war.
Die Europäischen Mächte griffen gerne auf Männer zurück, die bereit waren, Leib und Leben in fremden Kriegsdiensten zu riskieren. Eidgenossen waren aber auch als führende Militärs geschätzt und dienten wie Freuler in höchsten Offiziersrängen. Bereits der Grossvater und der Vater dienten dem französischen Königshaus. Kaspar Freuler verbrachte seine Jugend und die meiste Zeit seines Lebens als Offizier im Dienst des französischen Hofs. Als Gardeoberst gehörte er zum Kreis der engsten Vertrauten des Königs. 1637 wurde er in den Ritterstand erhoben. Den Palast baute er, um seinen Status zu demonstrieren. Ausserdem, wird vermutet, wollte er den französischen Monarchen würdig empfangen, sollte dieser einmal den Weg in den Kanton Glarus finden.
Wie der ständig in fremden Gefilden weilende Militär in Näfels einen Palast von dieser Grösse bauen konnte, bleibt wie vieles andere ein Geheimnis. Heute vermuten wir, dass seine beiden Ehefrauen bei der Planung und Organisation vor Ort Regie führten. Freuler ehelichte zunächst die Landammannstochter Margareta Hässi von Glarus, nach deren frühem Tod 1640 Anna Reding (1601 – 1658) aus Schwyz, ebenfalls Tochter eines Landammans.
Von beiden Frauen sind im Palast noch Spuren vorhanden: Von Margareta Hässi findet sich im Palast ein Hochzeitsschrank. Dass die Gattin des Gardeobersten bei der Planung mitredete zeigt nur schon, dass der der Schrank sehr genau zwischen Kachelofen und Wand Platz fand. Der Schrank von 1619 ist ein Geschenk des Ehepaares Hässi-Tschudi zur Hochzeit seiner Tochter. Drei Kinder gebar Margareta Freuler.
Die Familie der Margareta schenkte der Pfarrei in Glarus zudem ein kostbares sakrales Gewand. Dieses Pluviale ist zurzeit als zweites Highlight neben Zwinglis Messgewand (er war zehn Jahre lang katholischer Pfarrer in Glarus bis 1515) in der Sonderausstellung zu bewundern. Die zweite Ehe dagegen blieb kinderlos. Anna Reding, die zweite Frau, zierte den Palast mit den Wappen ihrer Familie und dürfte überhaupt während der Monate dauernden Abwesenheit ihres Gatten auf der Baustelle prägend mitgewirkt haben. 1651 starb Kaspar Freuler an den Folgen einer Verwundung. Bestattet ist er in fremder Erde: In Saint-Savin-sur-Gartempe (Poitou).
Von den weitverzweigten Beziehungen der Näfelser Offiziersfamilie zeugen auch die prächtigen Kachelöfen. Im Prunkzimmer steht das vielleicht schönste Exemplar, erbaut 1647 vom berühmten Winterthurer Ofenbauer Hans Heinrich aus der Hafner-Dynastie der Pfau, bemalt von David Pfau, dem Bruder des Hafners. Ihre mythologischen und biblischen Szenen zeugen von der Bildung des Palastherrn. Die Szenen haben entweder er oder seine Ehefrau zusammengestellt, denn sie sind im Bildrepertoire der Pfaus einmalig.
Der Palast erlebte eine wechselvolle Geschichte. Er war Wohnhaus des ersten Generals der Eidgenossenschaft, Niklaus Franz von Bachmann, der 1815 das Schweizerkreuz als Erkennungszeichen der Eidgenössischen Truppen einführte. 1837 wurde der Bau an die Gemeinde Näfels verkauft, die das Gebäude als Armen- und Waisenhaus sowie als Schule benutzte. In weiser Voraussicht und trotz klammer Gemeindefinanzen weigerten sich die Näfelser, Teile der prunkvollen Täfer- und Barockausstattung zu verkaufen.
Dies ermöglichte es der 1934 gegründeten Stiftung für den Freulerpalast, das Gebäude zu rekonstruieren und insbesondere in seiner originalen Farbigkeit wieder erstrahlen zu lassen. Heute wandelt der Besucher durch Säle, deren vergoldete Stuckaturen ebenso begeistern wie die mit Intarsien geschmückten Täferwände und -decken, die ein Gefühl von Geborgenheit vermitteln und dennoch eine Aura höfischer Grandezza zeigen.
Eine bessere Bühne als den Palast könnte sich das Museum des Landes wohl kaum wünschen. In seinen Vitrinen und nach modernsten museumspädagogischen Gesichtspunkten gestalteten Stationen kann man die Glarner Geschichte entdecken. Hier erfährt man, dass die Menschen an der Linth und in den Tälern der Sernf oder oben in Braunwald viel Schweizer Geschichte vorgespurt haben.
Im Kanton Glarus entstanden im 19. Jahrhundert die ersten Fabrikgesetze der Schweiz, ebenso erliessen die Glarner als erste ein Gesetz zur Arbeitslosen- und Altersversicherung. Der Kanton war auch im Bereich Skisport wegweisend. Es waren Glarner die 1893 den Skisport in der Schweiz einführten. Von 1903 bis 1905 wurden hier die ersten schweizerischen Skirennen durchgeführt. Die Ski-Weltmeisterinnen Rösli Streiff und Vreni Schneider sind vielen noch ein Begriff. Auch politisch wagte Glarus, was sich kein anderer Kanton bislang getraute: 2011 wurde an der Urne die Glarner Gemeindereform beschlossen. Ein politisches Unterfangen, das den Kanton in drei Einheitsgemeinden einteilte.
Quelle: Jürg Davatz, Der Freulerpalast in Näfels – Museum des Landes Glarus (1995)
Adresse: Im Dorf 19, 8752 Näfels. Weitere Informationen: www.freulerpalast.ch. Öffnungszeiten: 1. April bis 30. November, Di – Fr 10 – 12 / 14 – 17 Uhr, Sa, So, Feiertage 10 – 17 Uhr. Montag geschlossen. Im Winter für Gruppen auf Anfrage info@freulerpalast.ch.
Führungen durch den Palast 1. April bis 30. November und nach dem 30. November für Gruppen auf Anfrage: Anmeldung an empfang@freulerpalast.ch
Veranstaltungen – Rahmenprogramm der Sonderausstellung 2016
Führungen
Führung für Sehbehinderte
Samstag 24. September 2016, 10.15 Uhr
Internationaler Museumstag
Sonntag 22. Mai 2016, 10 – 17 Uhr
10.30 und 14 Uhr: Kreis- und Mitmachtänze
Kinder
Samstag 1. Oktober 2016, 14 – 16 Uhr
Für Kinder von 8 – 12 Jahren. An diesem Nachmittag begeben wir uns auf eine Zeitreise: Wie lebte man vor 200 Jahren und wie kleidete man sich?
Workshop
Samstag & Sonntag 15. Und 16. Oktober 2016, 10 – 18 Uhr. Chapeau! Wir machen unseren eigenen Hut. Unter der Leitung der Modistin Verena Philipp von kopfform (Chur) stellen Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Kopfbedeckung her, die zu ihnen passt.
Anmeldung: empfang@freulerpalast.ch oder 055 612 13 78
Vorträge
Slow Fashion
Donnerstag 24. November 2016, 19.30
Ursula Karbacher, Kuratorin des Textilmuseum St. Gallen zeigt, wie wir mit ökologisch und nachhaltig produzierter Kleidung modische Akzente setzen können. Kosten: Museumseintritt
Theater
Samstag 12. November 2016, 14 Uhr
Puppentheater samt& sonders
Des Kaisers neue Kleider. Figurentheater nach Hans Christian Andersen. Für Kinder ab 5 Jahren und Erwachsene.
Artikelbild: Freulerpalast mit Innenhof (© Freulerpalast)