Ein zweifelhaftes Denkmal für den Zürcher Hafenkran
Rund ein Jahr nach seiner Verschrottung ist der Zürcher Hafenkran nun auch noch irgendwie offiziell verboten worden.
Mit einem sinnlosen, aber eigens dafür geschaffenen Zusatzartikel in der Stadtzürcher Bau- und Zonenordnung hat der Gemeinderat nicht nur einem umstrittenen Kunstprojekt ein unfreiwilliges Denkmal gesetzt, sondern auch der kurzzeitigen fiktiven Geschichte von Zürich als Stadt am Meer.
Keine Hafenanlagen mehr in der Zürcher Innenstadt
Seit letzter Woche gibt es in der Stadtzürcher Bau- und Zonenordnung (BZO) einen Artikel 43b, der die Errichtung von zweckentfremdeter mariner Infrastruktur in den städtischen Kernzonen untersagt. Zu dieser schon auf den ersten Blick surreal anmutenden Regelung hat sich der Zürcher Gemeinderat mehr oder minder freiwillig durchgerungen – und so mit dreijähriger Verspätung auf die Einwendungen des Initiativkomitees «Hafenkräne Nein» reagiert.
Die Initianten, zu denen neben dem SVP-Gemeinde- und Kantonsrat Roland Scheck auch Mitglieder der Jungen SVP, der FDP und des Jungfreisinn gehören, hatten bereits im Dezember 2012 Unterschriften gegen das Projekt „zürich transit maritim“ eingereicht, das von den Künstlern Jan Morgenthaler und Martin Senn, der Bildhauerin Barbara Roth und der Designerin und Architektin Fariba Sepehrnia ins Leben gerufen worden war. Im Fokus der Beschwerdeführer stand das Herzstück der Kunstinstallation: ein riesiger Hafenkran, der am Ufer der Limmat errichtet werden sollte.
Vor allem dieser Kran und die mit der Montage verbundenen Kosten sorgten von Anfang an für böses Blut. Von den Befürwortern wegen der möglichen Denkanstösse gelobt und von den Gegnern als unnötiges „Scheissding“ bezeichnet, wurde der Kran dann im April 2014 am vorgesehenen Platz aufgestellt – der Stadtrat hatte auf die Beschwerden nicht geantwortet und die Sache einfach verschleppt, bis die Baubewilligung schliesslich erteilt und vollendete Tatsachen geschaffen waren.
Bis Januar 2015 bereicherte der Zürcher Hafenkran das Stadtbild. Viele schlossen ihn richtiggehend in ihr Herz, doch seine Gegner blieben unversöhnlich. Trotz aller Meinungs- und Kommunikationsprobleme blieb die Installation so lange stehen wie geplant. Dann wurden die Ausstellungselemente demontiert, und der umstrittene Kran wurde verschrottet. Die durch das Projekt suggerierte fiktive Historie von Zürich als Stadt am Meer hätte danach in jeder Hinsicht Geschichte sein können – wären da nicht die Hafenkran-Initiative und ihr verschlepptes Begehren gewesen.
Warum die verspätete Neuregelung?
Der Zürcher Gemeinderat hielt das Begehren der Hafenkran-Initiative von Anfang an für unsinnig. Trotzdem hat er es jetzt durchgewunken – und zwar trotz aller Absurdität dieses Vorgehens aus Vernunftgründen. Denn eine Ablehnung der Initiative hätte automatisch zu einer Volksabstimmung und somit zu weiteren hohen Kosten geführt. Dagegen ist das Einfügen eines überflüssigen Artikels in die BZO vergleichsweise schmerzlos zu bewältigen.
Dass der neue Artikel vollkommen sinnlos ist, bestreitet im Gemeinderat niemand: Das Corpus delicti existiert nicht mehr, und auch neue temporäre Kunstinstallationen können durch die Erweiterung 43b nicht verhindert werden. Verboten ist jetzt lediglich die dauerhafte Errichtung von Hafenkränen, „die nicht der christlichen Seefahrt dienen“ – und die ist im Hinblick auf die tatsächliche Stadtgeschichte, Infrastruktur und erwartete bauliche Entwicklung von Zürich höchst unwahrscheinlich.
Bei versöhnlicher Betrachtung ist der Artikel 43b ein originelles Mahn- und Denkmal, das noch viele Generationen an den Streit um Zürichs Hafenkran und das Projekt „zürich transit maritim“ erinnern wird. Diejenigen, die es als Kunst verhindern wollten, haben letztlich am meisten zu seinem Realitätsbezug beigetragen – und ihm einen bleibenden Platz in der Geschichte von Zürich gesichert.
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