Augusta Raurica – römische Antike in der Schweiz mit Spassfaktor?
VON Claudia Göpel Allgemein Denkmalpflege Events
Das jüngste grandiose Römerfest in der Augusta Raurica am letzten Augustwochenende dieses Jahres verzeichnete 24’500 Besucher, die keineswegs alle nur aus der Schweiz kamen. Denn das über 2000 Jahre alte, denkmalgeschützte Ensemble des Römermuseums August ist weit über die Grenzen hinaus bekannt, gehört zu den attraktivsten Sehenswürdigkeiten der Region Basel und ist der grösste archäologische Park der Schweiz.
Alljährlich zum Ferienende verwandeln sich Freifläche, archäologische Ausgrabungsstätte und historische Gebäudefragmente rund um Theater, Tempel und Aquädukt in einen Freizeitpark für feierfreudige und neugierige Hobbyarchäologen. Mit Mann und Maus wird das Gebiet gekapert. Zahlreiche Attraktionen halten die Besucher bei Laune, während knapp 50’000 Füsse den Boden um und über der alten Römersiedlung Augusta Raurica verdichten.
Ausgrabungsfeld in Kaiseraugst-Wacht noch bis 2015 zugänglich
Doch keine Sorge: Das Areal, auf dem die Festspiele stattfinden, wurde von den Archäologen bereits ausführlich erforscht und freigegeben. Auf einem in der Nähe gelegenen Gebiet von der Grösse eines Fussballfeldes wird noch bis Ende nächsten Jahres gegraben, gesammelt und analysiert. Das Grabungsfeld in Kaiseraugst-Wacht soll anschliessend mit Ein- und Mehrfamilienhäusern überbaut werden. Die bereits erforschten römischen Mauerreste verbleiben im Boden und werden somit für zukünftige Generationen konserviert. So der Plan der Ausgrabungspolitiker.
Das Grabungsfeld beherbergt das einstige römische Wohn- und Handwerkerquartier der Augusta Raurica und dient Studenten der Altertumswissenschaften der Universität Basel als praktisches Ausbildungsfeld. Denkmalpfleger, Archäologen, Studierende, Bauforscher und Bauarbeiter arbeiten hier Hand in Hand, um wertvolle Artefakte zu finden und für die Nachwelt zu erhalten. Eine Sisyphusarbeit, denn die Arbeiten im zähen Lehmboden gestalten sich äusserst schweisstreibend. Mehrere Bananenkisten mit Scherben, Knochen und Metallfragmenten verlassen im Sommer täglich das Gelände in Richtung Universität, wo sie auf ihren geschichtlichen Wert hin untersucht werden. Der bislang älteste Fund, ein hölzerner Kurbelgriff, konnte von den Forschern mithilfe der noch jungen naturwissenschaftlichen Methode der Dendrochronologie auf das Jahr 6 vor Christus datiert werden.
Warum ist das Baby in den Brunnen gefallen?
Nichts wird weggeworfen, doch die studentischen Ausgrabungshelfer stehen oft vor der Frage: „Was ist Schrott, was ist Geschichte?“ Deshalb werden die Jung-Studenten von erfahrenen Kommilitonen unter Leitung von Professor Peter-Andrew Schwarz betreut. Die Auswertung der Fundstücke ist ein archäologisches Detektivspiel, das nur langsam Auskunft über die Arbeits- und Lebensgewohnheiten der Menschen vor 2000 Jahren preisgibt. Warum ist das Baby in den Brunnen gefallen? Die Skelettteile des wenige Monate alten Kindes wurden vor zwei Jahren in einem zwölf Meter tiefen Sodbrunnen auf dem Gelände gefunden und werden seitdem, wie viele andere Knochenreste, in Basel untersucht.
Was wurde noch gefunden? Kurbeln, Messerspitzen, Gebrauchswerkzeuge und Gebrauchsgegenstände werden im Römermuseum Augst präsentiert, das sich am Eingang der Augusta Raurica befindet. Der Silberschatz von Kaiseraugst gehört zu den wertvollsten Fundstücken. 270 gut erhaltene Münzen wurden 1961/1962 bei Ausgrabungen innerhalb des spätrömischen Kastells gefunden, gereinigt, poliert und werden nun hinter Glas gezeigt.
Doch nicht nur kleine Artefakte, auch grosse werden bewahrt. So steht der besterhaltene römische Backofen nördlich der Alpen in einem restaurierten Wohn- und Handwerkerhaus aus den Anfängen unserer Zeitrechnung. Direkt dahinter befand sich übrigens die Toilette, eine praktische Einrichtung für die damalige Zeit, weil somit alle Abwässer gleichzeitig entsorgt werden konnten.
Folgende römische Bauten konnten restauriert und konserviert werden, sind als bauliche Zeitzeugen für die Öffentlichkeit zugänglich und werden regelmässig kulturell genutzt. Verantwortlich hierfür ist die Bildungs-, Kultur- und Sport-Direktion des Kantons Basel-Landschaft. Ein Teil der Einnahmen aus den Veranstaltungen fliesst zurück in die archäologische Forschungsarbeit.
- Theater und Tempel auf dem Schönbühl
- Hauptforum mit Basilika, Jupitertempel und Versammlungsort
- Reste des Amphitheaters
- Augster Äquadukt, eine Paradebeispiel frühzeitlicher Trinkwasserversorgung
- verschiedene Gewerbebauten (Schlachterei, Bäckerei, Taverne, Töpferei).
Trotz der beeindruckenden, öffentlich zugänglichen Anlage der restaurierten Augusta Raurica auf der Hochfläche unweit des Rheins bei Basel sind erst etwa 80 % des gesamten Geländes erforscht. Ein Grossteil der ehemaligen Römerstadt ist längst überbaut. Neubauten werden jedoch nur nach sorgfältiger archäologischer Prüfung genehmigt, denn in und um Augst herrscht ein allgemeines Bauverbot, um die Besiedlungsgeschichte der Schweiz durch die Römer noch lange erforschen zu können.
Das ausführliche Programm der Römerfestspiele 2014 als PDF finden Sie hier.
Oberstes Bild: Augusta Raurica Roemerfest 2014 – Das grosse Legionärslager (© Susanne Schenker, Augusta Raurica)