Giornico in der Leventina – ein Dorf voller Kulturschätze und Zeitzeugen

Giornico ist einerseits ein typisches Dorf, dessen rund 850 Einwohner wie anderswo auch ihrem normalen Alltag nachgehen, anderseits wirkt es dank seiner Kulturschätze beinahe wie ein Freiluftmuseum. Durch den Fluss Ticino geteilt, verfügt das Dorf über zwei Bezirke: Rechts des Flusses liegt der Kirchenbezirk, der alte Dorfkern befindet sich am linken Ufer.

Vor dem Bau der Gotthardbahn führte der gesamte Saumverkehr in Richtung Norden durch Giornico. Der alte Passweg querte den Fluss über zwei bis heute gut erhaltene rund 600 Jahre alte Steinbrücken. Diese wurden im 16. Jahrhundert restauriert. Durch die Eisenbahn verlor das Dorf sein Ansehen als Handelsplatz, sodass Weinanbau und Landwirtschaft zum Haupterwerbszweig wurden. Der alte Gotthardweg wird heute vor allem von Wanderern und Touristen genutzt. Er trifft im Zentrum von Giornico auf die Casa Stanga.


Die Steinbrücke in Giornico ist rund 600 Jahre alt. (Bild: Adrian Michael,Wikimedia, GNU)


Die Herberge Casa Stanga wurde von der gleichnamigen Adelsfamilie im 16. Jahrhundert für Durchreisende zur Verfügung gestellt. Heute befindet sich hier das Museo della Leventina. Die Wappen berühmter Gäste zieren die Fassade. Im Museum werden alte Werkzeuge, Kostüme und Volkskunst aus der Leventina ausgestellt. Es kann vom April bis Oktober an Wochenenden und Feiertagen besucht werden.

In der Herberge Casa Stanga befindet sich heutzutage das Museo della Leventina. (Bild: Adrian Michael, Wikimedia, GNU)


Giornico besitzt einige der wertvollsten mittelalterlichen Bauwerke des Tessins. Dazu zählen die Kirchen San Nicolao, San Michele, San Pellegrino und Santa Maria del Castello. Die Kirche San Nicolao wurde im frühen 12. Jahrhundert erbaut und gehört im Tessin zu den bedeutendsten romanischen Bauwerken. Die prächtigen Fresken im erhöhten Chor stammen von Nicolao da Seregno. An den Seitenwänden des Schiffes sind Reste von romanischen Fresken aus dem 13. Jahrhundert zu sehen. Nach einer umfassenden Renovation von 1940 bis 1945 wurde die Kirche San Nicolao unter den Denkmalschutz des Kantons und der Eidgenossenschaft gestellt.

Die Kirche San Nicolao in Giornico wurde im frühen 12. Jahrhundert erbaut. (Bild: Adrian Michael, Wikimedia, GNU)


Auf dem Gebiet einer ehemals stolzen, mailändischen Burg befindet sich die Kirche Santa Maria del Castello. Über die Burg selbst ist nur wenig bekannt, wahrscheinlich hat sie ihren Ursprung im 11. Jahrhundert und wurde in den folgenden zwei Jahrhunderten umfangreich ausgebaut. Die äusseren Umfassungsmauern stammen nachweislich aus dem 14. Jahrhundert. Die Kirche aus dem 12. Jahrhundert ist später immer wieder umgebaut worden.

Im frühen 13. Jahrhundert wurde die Kirche San Michele erstellt und ebenfalls später mehrfach baulich verändert. Im späten Mittelalter wurde sie dreischiffig und erhielt 1644 einen neuen Chor. 1787 erfolgte ein Neubau des Schiffes und 1947 bis 1969 eine komplette Renovation. Die Gemälde in der Kirche San Michele wurden in verschiedenen Epochen geschaffen: Das Michaelisgemälde, welches die Wand des Chorbogens schmückt, stammt aus dem Jahre 1947, ein Gemälde, welches den Heiligen Antonius zeigt, aus dem 17. Jahrhundert.

Am ehemaligen Gotthard-Saumpfad kann eine einsame Kirche aus dem Jahre 1345 besucht werden: die Kirche SanPellegrino, welche dem Bischof Rholando geweiht war. Die Ausmalung des Gotteshauses ist, die prächtigste welche aus dem späten 16. Jahrhundert im Tessin erhalten ist. Die östliche Rückwand ziert ein Gemälde von 1589, welches das Jüngste Gericht darstellt. Beachtenswert sind auch die riesigen Apostelfiguren zwischen den Fenstern sowie hervorragend erhaltene Renaissance-Malereien an den Seitenwänden.


Kirche San Pellegrino – eine einsame Kirche aus dem Jahre 1345 (Bild: Adrian Michael, Wikimedia, GNU)


Neben den erwähnten Kirchen sind in und um Giornico diverse mittelalterliche Kapellen zu bewundern. Zu diesen gehört die Kapelle Santa Maria di Loreto, welche um 1680 von Piero Pedrini aus Chironico erbaut wurde, die Friedhofskapelle neben der Pfarrkirche San Michele und die Kapelle Santa Maria Magdalena von Altirolo. Letztere beherbergt sehenswerte Gemälde aus mehreren Jahrhunderten. Der Barockbau selbst stammt aus dem 17. Jahrhundert.

Die Pfarrei besitzt wertvolle Krippenfiguren, welche gegen Ende des 16. Jahrhunderts geschnitzt und 1973 restauriert wurden. Die Kapelle San Carlo schmückt über der Türe ein Fresko, welches den Heiligen Sebastian zeigt, im Innenraum sind die Pestheiligen und der Heilige Karl Borromeo abgebildet. Diese Malereien entstanden im frühen 17. Jahrhundert. Die Kapelle San Carlo wurde nach dem die Pest überwunden war erbaut.

Etwas oberhalb des Dorfes liegt auf einem Felsvorsprung die geheimnisvolle Ruine Caslac. Mächtige, bis zu acht Meter hohe Mauern, welche teilweise aus riesigen Granitplatten aufgeschichtet wurden, veranlassen zu verschiedenen Deutungen über diese Befestigungsanlage. Ob es sich um ein römisches Siegesdenkmal oder doch eher um eine prähistorische Wehrsiedlung handelt, ist nicht restlos geklärt. Wahrscheinlich hat die Ruine ihren Ursprung im frühen Mittelalter. Aufgrund fehlender datierbarer Funde kann jedoch nur spekuliert werden. Der Erforschung der Ruine Caslac hat sich das Institut für Denkmalpflege der ETH angenommen und in den Jahren 1999/2000 archäologische und topgrafische Detailaufnahmen durchgeführt.



Bei einem Bummel durch das Dorf sind weitere Denkmäler und Kulturschätze zu entdecken: So wurde im Jahre 1937 vom Bildhauer Pessina aus Ligornetto ein Denkmal geschaffen, welches an die Schlacht von Giornico im Dezember 1478 erinnert. An einer romanischen Brücke ist das Crocifisso e cappella zu sehen: ein mehr als 500 Jahre altes hölzernes Kruzifix. An mehreren alten Ställen können wertvolle Fresken bewundert werden.

Die kantonale Denkmalpflege Tessins wie auch Bürger von Giornico setzen sich dafür ein, dass die unschätzbaren Zeitzeugen des Ortes auch für die nächsten Generationen erhalten bleiben.

 

Oberstes Bild: Die Kirche Santa Maria del Castello in Giornico (© Adrian Michael, Wikimedia, GNU)

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