Ein Bauwerk mit kontinuierlicher Geschichte: Kloster und Schloss Interlaken

Neun Jahrhunderte umfasst die Historie des ehemaligen Doppelklosters Interlaken. Auf dem Gelände befinden sich heute das Schloss Interlaken sowie die Kirchen der katholischen und der reformierten Glaubensgemeinschaft.

Über die interessante Bauentwicklung berichtet das Buch „Kloster und Schloss Interlaken“. Darin befasst sich der Autor Hans Peter Würsten intensiv mit den zahlreichen Aus- und Umbauten. Im November 2013 stellte der Verfasser sein Werk unmittelbar vor Ort bei einer Buch-Vernissage vor.


Schloss Interlaken, Kanton Bern (Bild: Dietrich Michael Weidmann, Wikimedia, GNU)

Eine Dokumentation der Denkmalpflege

Der Autor Hans Peter Würsten ist Architekt und seit 1985 als Mitarbeiter der kantonalen Denkmalpflege Bern tätig. In seine Zuständigkeit fallen die Bauberatung und die Bauforschung. Hans Peter Würsten hat bereits zahlreiche Artikel aus den Bereichen Denkmalpflege und Kunst verfasst sowie Vorträge und Führungen veranstaltet. Er gilt als kompetent und erfahren, was sich auch in dem 550 Seiten umfassenden Buch widerspiegelt. Der Untertitel „Neun Jahrhunderte bauen, nutzen und pflegen“ gibt bereits einen kleinen Einblick in die Kapitel des Werkes über Kloster und Schloss Interlaken.

Im Rahmen der Buch-Vernissage fand eine Führung statt, die sowohl die heutigen Bauwerke einschloss als auch einen informativen Überblick über die baugeschichtliche Entwicklung bot. Die Führung startete im Ehrenhof, der zwischen den barocken Flügeln des „neuen Schlosses“ liegt. Das Schloss wurde 1750 erbaut und stellt die letzte bauliche Erweiterung des Areals dar. Das ursprüngliche Interlakner Doppelkloster wurde bereits im 12. Jahrhundert errichtet. Bis zur heutigen Gestaltung fanden zahlreiche Aus- und Umbauten statt. Die Propstei des Klosters wird heute durch die kantonale Verwaltung genutzt.

Der Autor Hans Peter Würsten verwendete für das umfangreiche Werk die historischen Bauabrechnungen und führte Untersuchungen zur Geschichte von Schloss und Kloster durch. Der Verfasser betonte, dass nicht nur das Alter hervorhebenswert sei, sondern vor allem die Kontinuität der Baugeschichte. Wie Denkmalpfleger Michael Gerber bestätigte, ist das Buch auch eine aufschlussreiche Dokumentation über die Entwicklung der Denkmalpflege. Enthalten sind des Weiteren Gastbeiträge, die sich unter anderem mit den jüngsten archäologischen Ausgrabungen auf dem Gelände befassen.


Schloss Interlaken im Sommer (Bild: Interlaken Tourismus)

Vom Kloster zum Schloss

Im Jahr 1133 wurde das Augustinerkloster von Interlaken zum ersten Mal urkundlich erwähnt. Es folgte eine lange und wechselhafte Geschichte. Die Reformation im Jahr 1525 führte dazu, dass der Klosterbesitz an die Stadt Bern überging, das Kloster wurde im Anschluss in ein Spital umgewandelt. Dann folgte der Umbau zum Schloss. Dafür wurden Wirtschaftsgebäude des früheren Klosters abgerissen, es blieben aber auch wesentliche Teile erhalten. Der Kirchturm der Klosterkirche, der aus dem 14. Jahrhundert stammt, ist heute noch Bestandteil, ebenso bildet der gotische Kreuzgang einen optischen Höhepunkt.

Der Ostflügel des Schlosses wurde auf dem westlichen Abschluss des alten Kreuzgangs errichtet. Von hier aus führt ein schmaler Durchgang vom Ehrenhof in einen zweiten Hof, der noch aus der Zeit des Mittelalters stammt. Die nahezu spiegelbildliche Anordnung der beiden Höfe bildet zugleich die Anlage des barocken Gartens ab, der sich auf der Südseite des Hauptgebäudes befindet. Hans Peter Würsten spricht in diesem Zusammenhang von „einer der Finessen, mit denen die neue Anlage geplant wurde“.


Kloster und Schloss Interlaken (© Dietrich Michael Weidmann, Wikimedia, GNU)

Eine Führung durch das Schloss

Bei der Führung anlässlich der Buch-Vernissage konnten die Teilnehmer einen tiefgreifenden Eindruck der alten Klosteranlage und der für das Schloss erforderlichen Umbauten gewinnen. Neben dem östlichen Arm des Kreuzgangs ist beispielsweise noch der Kapitelsaal erhalten. Dieser Saal wurde nach der Reformation als Schlosskapelle für Landvogt, Spital und Stadtschreiber genutzt. Gegen Norden befand sich das Kirchenschiff. Dieses wurde 1910 durch einen Neubau ersetzt. Bis dahin hatte die alte Klosterkirche als Scheune gedient.

Der touristische Aufschwung in Interlaken erforderte jedoch wieder eine grosse Kirche. Den südlichen Abschluss bildet bis heute das alte Chorherrenhaus. Hans Peter Würsten verdeutlichte diese An-, Aus- und Umbauten im Rahmen der Führung auf eine anschauliche Art und Weise. Interessant sind auch die Details: So zeigte er zum Beispiel eine zugemauerte Türe, die unter einem Spitzbogen liegt und früher einen Zugang zum Speisesaal des Männerkonvents darstellte.


Schloss Interlaken – Innenhof (Bild: Interlaken Tourismus)

Ein neues Geschoss auf der alten Propstei

In der langen Geschichte bewohnten verschiedene Würdenträger die Räumlichkeiten. Unmittelbar nach der Reformation zog der Landschreiber ins Chorherrenhaus ein. Der Landvogt bewohnte die frühere Propstwohnung, die sich im Osten anschliesst. Diese mittelalterlichen Räume wirkten eher bescheiden, deshalb liess die Stadt Bern im Jahr 1657 ein zusätzliches Geschoss auf der alten Propstei errichten. Als Baumaterial wurden höchstwahrscheinlich Steine verwendet, die noch vom Frauenkonvent stammten. Der Frauenkonvent zählte im 13. Jahrhundert zu den grössten Klöstern Europas. Zeitgleich entstand ein repräsentativer Festsaal.


Schlosskirche Interlaken (Bild: Frank Fell Media – shutterstock.com)

Spannende Entdeckungen und Überraschungen hinter alten Mauern

In der Neuzeit widmete sich die kantonale Denkmalpflege intensiv den historischen Gebäuden. Die Renovationen, die in den letzten Jahrzehnten durchgeführt wurden, brachten viele Überraschungen hervor. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel sind die Wand- und Deckenmalereien, die im obersten Stockwerk der Propstei gefunden wurden. Zum Vorschein kamen ornamentale Pflanzenranken und Fantasiegestalten. Diese Malereien waren in einem fast unversehrten Zustand.

Eine weitere Attraktion ist ein Raum des Zivilstandsamts. Dieser wurde von einem Landschreiber um das Jahr 1750 herum mittels Illusionsmalerei in eine Gartenhalle verwandelt. Hans Peter Würsten zeigte während der Führung auch die Holzdecke im ersten Stock der Propstei. Er ist sich sicher, dass damit nicht die letzten Entdeckungen gemacht wurden, sondern dass die historischen Gebäude noch weitere Überraschungen bergen.

 

Titelbild: Schloss Interlaken im Winter (© Interlaken Tourismus)

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