Die Siedlung Halen in Bern muss saniert werden

Als die Siedlung Halen nach siebenjähriger Bauzeit (1955-1962) fertiggestellt war, galt sie als Sensation in der Welt der Architektur und als wegweisendes Beispiel für modernen Siedlungsbau nach dem Zweiten Weltkrieg. Bis heute pilgern Liebhaber der Baukunst nach Herrenschwanden (Gemeinde Kirchlindach im Kanton Bern), um sich dieses einmalige Ensemble an Reihenhäusern anzusehen.

Verantwortlich für die Pläne war die Architektengemeinschaft Atelier 5 aus Bern, die sich zu Beginn ihrer Tätigkeit sehr auf ihr Vorbild Le Corbusier bezog und im Hinblick auf die Materialauswahl immer wieder stark mit Beton beschäftigt hat.

Die Siedlung liegt hoch über der Aare und der Halenbrücke eingebettet in einer Waldlichtung. Sie bietet insgesamt 78 Wohneinheiten, fünf Ateliers sowie verschiedene Gemeinschaftsräume. Das in sich geschlossene Wohnquartier ist eingestuft als Kulturgut von nationaler Bedeutung und steht somit unter dem Schutz der Schweizer Denkmalpflege.


Dorfplatz in der Siedlung Halen (Bild: Ginkgo2g, Wukimedia, CC)


Nach dem Krieg und in den Anfangsjahren der Hochkonjunktur um 1950 wuchs der Bedarf an Wohnraum in der Schweiz wie in ganz Europa. Meist entstanden allerdings charakter- und gesichtslose Wohnviertel, die stark in der Tradition verhaftet waren und keinerlei architektonische Akzente setzten. Der Bau vieler Einfamilienhäuser auf der grünen Wiese mit dem entsprechend grossen Flächenbedarf trug massiv zur Zersiedlung der Landschaften bei. Mit der heute von vielen Kennern als Architekturikone eingestuften Siedlung Halen schuf das Team von Atelier 5 ein markantes Gegenstück zu dieser Entwicklung – nicht zuletzt auch, weil die Mittel zur Finanzierung knapp waren.

Nach fast 60 Jahren stehen aber nun Renovationsarbeiten an, die keinen grossen Aufschub mehr dulden, wenn die Siedlung auch für kommende Generationen bewohnbar sein soll. Die Heizungsanlagen sind hoffnungslos veraltet, Isolationen müssen erneuert werden, Flachdächer und Fassaden benötigen einen Schutz der Betonarmierung. Es gibt Konzepte für die Sanierung, aber zum Teil stellen sich die derzeitigen Eigentümer und Besitzer quer. Deshalb ist nun die Kantonsregierung von Bern gefordert.

Zu Beginn der Renovationsplanungen gab es einen allgemeinen Konsens darüber, dass ein koordiniertes Vorgehen die einzige Lösung für das Ensemble sei. Nicht nur aus diesem Grund wurde eine Gesellschaft für die Sanierung der Halen-Häuser gegründet. Ein zweiter Grund war die Tatsache, dass die Eigentümer der einzelnen Häuser zwar zusammen für Betrieb und Unterhalt der gemeinschaftlichen Anlagen verantwortlich sind, aber die alleinige Entscheidungsgewalt über ihr Eigentum haben. Jeder Besitzer eines Hauses ist völlig frei darin, ob und wie er seine Immobilie renoviert oder baulich verändert.


Einer der Innenhöfe in der Siedlung Halen (Bild: Ginkgo2g, Wikimedia, CC)


Die Planer der neu gegründeten Gesellschaft gingen mit aller erdenklichen Sorgfalt vor. Zuerst wurden der bauliche Zustand der Gebäude und die bisher aufgetretenen Mängel erfasst. Danach trat die Eidgenössische Kommission für Denkmalpflege auf den Plan und taxierte den historischen Wert der Siedlungsanlage. Im dritten Schritt wurden Leitlinien für die Zukunft entwickelt. Dabei ging es darum, was individuell verändert werden darf und was auf jeden Fall erhalten bleiben soll.

Auf der Basis der gesammelten Erkenntnisse entwickelten die Sanierungsgesellschaft und die Denkmalpflege ein Renovationskonzept, das anschliessend in mehreren Etappen detailliert ausgearbeitet und verfeinert wurde. Ziel war, die unterschiedlichen Ansprüche der Besitzer unter einen Hut zu bringen, die wesentlichen Charaktermerkmale der Siedlung zu bewahren, eine energetisch positive Sanierung zu gewährleisten und – nicht unwichtig – die Kosten für alle beteiligten Parteien auf einem tragbaren Niveau zu halten.


Quartierladen der Siedlung Halen (Bild: Ginkgo2g, Wikimedia, CC)


In der letzten Zeit nehmen aber die Eigeninteressen der Bewohner überhand. Die einen wollen – ökologisch fixiert – ein Prestigeobjekt für Nachhaltigkeit aus der Anlage machen, was aber wichtige Elemente der ursprünglichen Gestaltung zerstören würde. Andere wollen nur flicken, nicht wirklich sanieren, suchen nach der preiswertesten Lösung und sind bereit, dafür das ästhetische Gesamtbild zu opfern. Dazu passt, dass die Gesellschaft für die Sanierung der Halen-Siedlung vor nicht allzu langer Zeit aufgelöst wurde. Wenn jetzt jeder macht, was er will, wird die gesamte Anlage zum Spielball jedes einzelnen Eigentümers. Am Ende wird das Erscheinungsbild zerstört sein.

Es sei denn, die Behörden des Kantons Bern und die Denkmalpflege setzen die gesetzlichen Bestimmungen durch, die für ein Objekt wie die Siedlung Halen zutreffend sind. Als Kulturgut von nationaler Bedeutung und als herausragendes Zeugnis moderner Architektur hat die Siedlung mehr verdient als das Geschachere von Einzelpersonen. Und nach dem Fiasko mit dem Gymnasium Strandboden in Biel – aber das ist eine andere Geschichte – kann sich der Kanton Bern eine weitere Fehlentscheidung eigentlich nicht leisten. Schliesslich geht es hier um eines der wichtigsten Baudenkmäler des 20. Jahrhunderts in der Schweiz.

 

Oberstes Bild: Die Siedlung Halen bei Bern (© Ginkgo2g, Wukimedia, CC)

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hat Germanistik, Geschichte und Philosophie studiert und ist zusätzlich ausgebildeter Mediendesigner im Segment Druck. Er schreibt seit über 30 Jahren belletristische Texte und seit rund zwei Jahrzehnten für Auftraggeber aus den unterschiedlichsten Branchen.

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