Schwimmende Denkmäler – die Dampfschiffe des Vierwaldstättersees

Auf dem Vierwaldstättersee treffen Denkmalpflege und Nostalgie in Form von fünf alten Raddampfern aufeinander, die in ihrer Kombination ziemlich einmalig sind. Die Flotte umfasst den jüngsten (Stadt Luzern) und den ältesten (Uri), den schnellsten (Gallia) und den wohl schönsten (Schiller) Raddampfer auf den Schweizer Seen. Die Nummer Fünf im Bunde ist mit einer Maschine bestückt, die schon 1899 vor der Montage auf der Pariser Weltausstellung gezeigt wurde.

Betreiber der aufwändig und liebevoll restaurierten Dampfer ist die Schifffahrtsgesellschaft des Vierwaldstättersees (SGV), die sie kommerziell einsetzt und damit der Öffentlichkeit zugänglich macht. An dieser Stelle möchten wir die Schiffe und ihre Historie kurz vorstellen – und vielleicht Lust auf mehr machen. Sie alle sind als Kulturgut von nationaler Bedeutung der Kategorie A eingestuft und stehen unter dem besonderen Schutz der Denkmalpflege.

Stadt Luzern

Das Flaggschiff der SGV stammt aus der Werft Gebrüder Sachsenberg (Roßlau a.d. Elbe) und ist der letzte Dampfer, der für einen Schweizer See erbaut wurde. Die Jungfernfahrt fand am 23. Juni 1928 statt. Allerdings musste das Schiff schon zwei Tage danach wegen Maschinenschaden für mehr als ein Jahr pausieren. Wie sich herausstellte, genügte der Antrieb nicht den Anforderungen und musste ersetzt werden.

Die Stadt Luzern unterscheidet sich von älteren Dampfschiffen der Schweiz einerseits durch ihr Erscheinungsbild. Ihr Design erinnert an die grossen Ozeanliner der 1920er Jahre, nicht zuletzt durch die Gestaltung der Salons im Art déco Stil. Zudem ist sie der schwerste, längste und breiteste Passagierdampfer mit dem grössten Fassungsvermögen – 1’200 Passagiere finden hier Platz.

Heute verrichtet der Dampfer seinen Dienst hauptsächlich auf Linien- und Charterfahrten, er kommt aber auch bei Staatsbesuchen – etwa von Königin Elisabeth II. – zum Einsatz. Mittlerweile hat er rund 1’000’000 Kilometer zurückgelegt.


Flaggschiff der SGV – Stadt Luzern (Bild: Roel Hemkes, Wikimedia, CC)


Uri

Der älteste Raddampfer der Schweiz wurde bereits 1899 bei der Werft Gebrüder Sulzer bestellt und lief im Januar 1901 vom Stapel. Uri ist ein Seitenrad-Dampfer für zwei Klassen, in denen 800 Passagiere unterkommen. Der 1.-Klasse-Salon im neubarocken Stil stammt von Filippo Cassina (Mailand). Das Mobiliar und die reichhaltigen Deckenmalereien wurden während der Generalrevision zwischen 1991 und 1994 vollständig rekonstruiert. Der Salon der 2. Klasse erfuhr 2006 eine Runderneuerung.

Kein anderer Dampfer verkehrt in der Saison so lange wie Uri. Sein Einsatz dauert bis Ende Dezember, und er diente gelegentlich sogar als Eisbrecher. Kein Wunder, dass das Dampfschiff weit über 2’000’000 Kilometer „auf dem Buckel“ hat. Während seiner Dienstzeit kam es zu mehreren Zwischenfällen, die aber keine schwerwiegenden Folgen hatten. Unter anderem stiess Uri 1959 mit der Stadt Luzern zusammen.


Raddampfer Uri, Vierwaldstättersee, vor dem Bürgenstock (Bild: Adinda, Wikimedia, CC)


Gallia

Die Gallia ist mit ihren 17 Knoten (31 km/h) nicht nur der schnellste Raddampfer der Schweiz, sondern auch der schnellste auf allen Binnenseen Europas. Erbaut wurde sie 1912/13 in der Werft Escher-Wyss in Zürich, der erste Einsatz erfolgte im Juli 1913. Bis heute versieht sie mit Unterbrechungen während der beiden Weltkriege unermüdlich ihren Dienst und hat rund 1’200’000 Kilometer abgeleistet. In dieser Zeit gab es ledigich einige kleinere Pannen und Schäden an der Maschine und an den Schaufelrädern sowie kriegsbedingte Standschäden.

1920 gab es Pläne, die Gallia um ein Deck auf drei Decks zu erweitern. Ausserdem sollte ein dritter Dampfkessel und ein dritter Schornstein installiert und die Schiffsschale auf 72 Meter verlängert werden. Diese Pläne wurden aber genausowenig umgesetzt wie der Umbau in einen dieselelektrischen Raddampfer 1960.

Das Interieur im Empire-Stil ist bis heute original erhalten. Es zeichnet sich aus durch Mahagoniholz, Messingarmaturen, Goldbronzen und blaue Polstermöbel. Passend zum Namen ziert ein markanter gallischer Hahn den Bug.


Schaufelraddampfer „Gallia“ auf dem Vierwaldstättersee (Bild: Sputniktilt, Wikimedia, CC)


Schiller

Liebhabern gilt die Schiller als der schönste Raddampfer in der Schweiz, sowohl wegen der äusseren Form, als auch wegen der Ästhetik seiner Innenräume. Der 1.-Klasse-Salon beispielsweise besticht durch seine geometrische Jugendstilausstattung in Zitronenholz mit Intarsienarbeiten aus Perlmutt und Ebenholz. Original sind auch Mobiliar, Lampen, Garderoben und andere Einrichtungsgegenstände.

Die Schiller wurde von der Werft Gebrüder Sulzer aus Winterthur gebaut und lief im Februar 1906 vom Stapel. Ihren Kursdienst nahm sie im Mai desselben Jahres auf. Im Lauf der Jahrzehnte wurde sie mehrfach renoviert, aber die umfassendste Sanierung erfolgte 1998/99 und verursachte Kosten in Höhe von sechs Millionen Franken.

Im September 1969 kam es zu einem Zwischenfall, als die Schiller bei Buochs auf eine Sandbank auflief. Sie konnte aber am nächsten Tag erfolgreich abgeschleppt werden und erlitt keine nennenswerten Schäden. Bis heute erbrachte der Raddampfer, der nach dem deutschen Dichter Friedrich Schiller benannt ist, eine Leistung von rund 1’400’000 Kilometern.


Raddampfer Schiller bei Weggis (Bild: Diriye Amey, Wikimedia, CC)


Unterwalden

Der fünfte Dampfer auf dem Vierwaldstättersee, der unter dem Schutz der Denkmalpflege steht, wurde 1902 bei Escher-Wyss in Zürich gebaut. Das Interieur der 1. Klasse stammt – wie bei der Uri – von Filippo Cassina aus Mailand, diesmal im Neorokoko-Stil. Der Parkettboden mit Intarsien aus Ahorn, Kirsche, Ulme und Nussbaum ist genauso wie Türflügel des Eingangs aus geätztem Glas vollständig im Original erhalten.


Raddampfer „Unterwalden“ auf dem Vierwaldstättersee (Bild: Gestumblindi, Wikimedia, CC)


Zwei Zwischenfälle 1923 und 1956 führten zu leichten bis mittelschweren Schäden, allerdings ohne dass Menschen in Mitleidenschaft kamen. Von 2009 bis 2011 wurde die Unterwalden für 10 Millionen Franken komplett saniert und erstrahlt heute – nach rund 1’800’000 Kilometern – wie in den 1950er Jahren in einzigartiger Schönheit.

 

Oberstes Bild: Vierwaldstättersee-Raddampfer, von links nach rechts: Uri, Gallia, Unterwalden, Schiller, Stadt Luzern. (Bild: Gestumblindi, Wikimedia, CC)

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hat Germanistik, Geschichte und Philosophie studiert und ist zusätzlich ausgebildeter Mediendesigner im Segment Druck. Er schreibt seit über 30 Jahren belletristische Texte und seit rund zwei Jahrzehnten für Auftraggeber aus den unterschiedlichsten Branchen.

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