Zurück ins Jahr 1893: Die Villa Zinggeler in Richterswil erstrahlt in neuem Glanz
VON Christiane Weber Allgemein Denkmalpflege
Die Geschichte der Villa Zinggeler
Die Gemeinde Richterswil gehört zum Bezirk Horgen im Kanton Zürich. Hier betrieb die Familei Zinggeler eine Spinnerei. Nach vielen Jahren der Nutzung standen die Fabrikgebäude und die Fabrikantenvilla leer. Geplant waren Abbrucharbeiten an den Produktionsstätten, nachdem auf dem Gelände neue Wohnhäuser errichtet werden sollten. Während der Arbeiten kam es zum Funkenflug, der sich schnell zum Brand entwickelte und die Spinnereigebäude vollständig ausbrennen liess. Schon seit 2009 waren in der Villa im spätklassizistischen Stil Renovationsarbeiten im Gange. In der Villa hatte von 1997 bis 2004 ein Clubbetrieb stattgefunden, der die Räume und die Innenausstattung in Mitleidenschaft gezogen hatte.
Die Villa entstand in den Jahren von 1891 bis 1983. Sie gelangte 2010 in das überkommunale Inventar und wurde unter Schutz gestellt. Das Schutzobjekt von regionaler Bedeutung wurde durch das Architekturbüro Wanger AG aus Rüschlikon renoviert. Eine enge Zusammenarbeit mit der kantonalen Denkmalpflege garantierte die Wiederherstellung in den Zustand aus dem Jahr der ersten Fertigstellung 1893.
Roter Backstein als Erkennungsmerkmal
Der damalige Bauherr, der Industrielle Rudolf Zinggeler-Syfrig, liess die Villa aus rotem Backstein errichten, der in dieser Ära ein beliebter Baustoff war. Das äussere Erscheinungsbild der Villa war vom Spätklassizismus geprägt, schlicht, aber eindrucksvoll. Zum roten Backstein harmonierten der Verandavorbau und der Balkon aus Gusseisen und hinterliessen einen sehenswerten Eindruck. Als erstes Wohnhaus in Richterswil erhielt die Villa Zinggeler eine elektrische Beleuchtung. Der Reichtum der Familie zeigte sich in der Innenausstattung.
Die Zinggelers stellten hohe Ansprüche an die repräsentative Ausstattung der Villa. Im Inneren zeigten sich Stuckdecken, die teils echt, teils aus Pappmaché imitiert waren. Im Obergeschoss waren die Stuckdecken echt, im Erdgeschoss imitiert. Weitere wertvolle oder wertvoll wirkende Materialien waren Marmorimitationen für die Wände und Vertäfelungen mit Holzmaserierung. Nahezu jedes Detail der Villa Zinggeler war liebevoll gestaltet, von den Fenster- und Türbeschlägen bis hin zu den Eisenrosetten der Warmluftheizung, mit der die Zimmer ausgestattet waren.
Die Besonderheit der Gestaltung in der Villa Zinggeler lag darin, dass die einzelnen Details sorgfältig aufeinander abgestimmt waren und in ihrer Gesamtheit bis in die Neuzeit erhalten geblieben sind. Bei der Sanierung wurde viel Wert auf die Rekonstruktion beziehungsweise Erhaltung der typischen Elemente gelegt.
Merkmale des Spätklassizismus
Dieser Baustil orientiert sich stark an den Vorbildern der Antike. Symmetrie ist ebenso ein Erkennungsmerkmal wie die Verwendung von Säulen und Portalen. Die Gebäude aus dieser Epoche sind eindrucksvoll, aber nicht überladen. So zeigte sich auch die Villa der Familie Zinggeler von aussen als zwar imposantes, aber nicht protziges Bauwerk. Erst in der Innenaustattung traten der Wohlstand und der damit verbundene Wohnkomfort in den Vordergrund.
Im ausklingenden 19. Jahrhundert war diese Bauform sehr häufig anzutreffen. Ein kleines, aber feines Detail am Rande: Auf dem Gelände der ehemaligen Spinnerei entstand in den letzten Jahren die Parkresidenz Zinggeler. Der Baustil dieser Wohnhäuser ergänzt die historische Villa mit einem neuzeitlichen Aspekt – insgesamt eine gelungene Verbindung von ehemaligen und modernen Baustilen. Die Parkanlage zwischen den neu erbauten Häusern und der Villa Zinggeler verleiht dem gesamten Ensemble den besonderen Reiz.
Die Gesamtrenovation mit dem Ziel der Nutzung als Wohnhaus
Die vierjährige Renovation konzentrierte sich im Wesentlichen auf das Innere der Villa. Von aussen waren nur geringfügige Sanierungen und Änderungen notwendig. So wurden beispielsweise die angebrachten Sonnenstores und die Aussenfluchttreppe vom Obergeschoss entfernt und schadhafte Stellen erneuert. Aus Sandstein gefertigte Bauteile, also Treppen, Bodenplatten, Fenstergesimse und -gewände, waren stark verwittert und mussten ebenfalls teilweise ersetzt werden. Dafür verwendeten die beauftragten Steinmetze den lokalen Zürichseesandstein.
Aus der Sicht der Denkmalpflege sollte das Gebäude von innen sanft renoviert werden. Änderungen waren nur in einem geringen Umfang möglich. Durch den Clubbetrieb waren die Wände und Stuckdecken im Erdgeschoss stark in Mitleidenschaft gezogen. Das Obergeschoss befand sich dagegen noch in einem relativ intakten Zustand. Bodenbeläge und Wandvertäfelungen in der Villa Zinggeler übermitteln einen Eindruck in das frühere Leben: Beides war entweder noch gut erhalten oder wurde in aufwendiger Arbeit wieder hergestellt. Beeindruckend ist die Wirkung der Holzvertäfelung, die sich an den Wänden zeigt, die Fenster einrahmt und die Decken teilweise mit einbezieht. Beim Bodenbelag ist ein aufwendiges Intarsienmuster zu erkennen, das die Dimension der Räume wirkungsvoll betont.
Im Keller und im Dachgeschoss waren grössere und umfangreichere Arbeiten und Veränderungen notwendig. Das Untergeschoss war als Disco genutzt worden, nun wurden im Zuge der Renovation die Einbauten entfernt. Die gut erhaltenen Eisenstützen aus der Bauzeit blieben dagegen bestehen. Der Ausbau der ehemaligen Winde ergab einen Teil einer grossen Wohnung, die sich über zwei Stockwerke vom Ober- bis zum Dachgeschoss erstreckt. Auch das Erdgeschoss kann nun als Wohnraum genutzt werden.
Oberstes Bild: Villa Zinggeler in Richterswil 1890-1936 (Bild: Zinggeler, Rudolf, www.helveticarchives.ch)