Die neue Kirche in Wollishofen - Drei Ideen für eine Umnutzung
VON Ulrich Beck Allgemein Denkmalpflege
Die Bezeichnung der Kirche rührt von ihrer Lage auf dem von Nord nach Süd verlaufenden Moränenzug „Egg“ her. Sie ist von weither gut sichtbar und mit ihrem frei stehenden Glockenturm ein markanter Punkt im Quartier Wollishofen.
Die Kirchengemeinde erwarb das Grundstück mit einer Grösse von 9’267 Quadratmetern im Jahr 1913 von der Stadt Zürich. Ursprünglich sollte die Fertigstellung des Sakralbaus zum Zwingli-Jubiläum 1919 erfolgen, wegen des Ersten Weltkriegs und seinen wirtschaftlich negativen Auswirkungen in den Jahren danach war dies jedoch unmöglich. Den schliesslich ausgeschriebenen Wettbewerb gewann dann 1929 das Architekturbüro Henauer + Witschi. Fünf Jahre später, 1934, wurde der Baukredit genehmigt, der erste Spatenstich erfolgte im Juli 1935. Nach rund zweijähriger Bauzeit wurde das Gebäude am 12. September 1937 mit einem grossen Fest feierlich eingeweiht. Im Jahr 1989 erfolgte eine gründliche Renovation des Aussen- und Innenbereichs.
Im Inventar der schützenswerten Bauten von kommunaler Bedeutung sind neben der Kirche und dem Glockenturm auch das Pfarrhaus, die nahe Häuserzeile und die direkte Umgebung aufgeführt. Konkret bedeutet dies, dass an der Aussenhaut, die komplett aus Muschelkalk besteht, am Kupferdach, an Türen, Fenstern und den Wandverkleidungen inklusive aller Details laut Auflage der Denkmalpflege nichts verändert werden darf. Das gilt ebenso für die gut durchdachte Organisation des Innenraums mit seiner vollendeten Harmonie aus Formen, Farben und Materialien. Von den Kunstwerken in der Kirche „Auf der Egg“ sind drei besonders hervorzuheben: das Wandgemälde „Drei Engel mit Schriftrollen“ von Paul Bodmer, ein weiteres Wandgemälde im Eingangsbereich von Sven Knebel sowie das Flachrelief „Die Speisung der Fünftausend“ von Otto Bänninger.
Zurzeit bietet der Innenraum mit seiner Bühne Platz für rund 700 Personen. Hinzu kommen noch einmal 50 Plätze auf der Empore. Die Grundfläche des Gebäudes beträgt 1’250 Quadratmeter. Die Kirche wird zurzeit vor allem für Trauungen und Veranstaltungen von Vereinen und anderen Organisationen genutzt, wobei die exzellente Akustik im Inneren vor allem Musik-Events zugute kommt.
Die Kirchengemeinde hat sich entschieden, das Gebäude nicht abzureissen. Für eine Nutzung als religiöses Zentrum kommt sie wegen geringer Besucherzahlen aber auch nicht mehr in Frage. Deshalb wurde im Jahr 2012 der Ideenwettbewerb „Vision EGG+“ mit dem Untertitel „Kirche mit Potenzial“ ausgeschrieben. Ausser dem Abriss schliesst die Kirchengemeinde ebenfalls die Nutzung durch nicht-christliche Religionsgemeinschaften oder Organisationen, die menschenverachtendes Gedankengut verbreiten, aus. Der zukünftige Betreiber muss ein Konzept vorlegen, das mit christlicher Ethik vereinbar ist und ein grosses gesellschaftliches Vernetzungspotenzial bietet. Möglich wäre eine Vermietung an geeignete Interessenten laut Aussage der Verantwortlichen für 20 Jahre.
Zur Teilnahme an dem Wettbewerb waren einzelne Personen, Vereine, Unternehmen, öffentliche Einrichtungen und lose Gruppierungen aufgerufen, die ihre Aktivitäten innerhalb der Schweiz ausüben. Anfangs wurde die Schwelle für die Teilnahme bewusst niedrig gehalten und das Themenspektrum sehr breit angelegt, um viele Projektideen sammeln zu können. In der Jury sitzen ausnahmslos kompetente und motivierte Persönlichkeiten aus Kirche, Kultur, Wirtschaft und öffentlicher Hand. Auch sollte die Bevölkerung von Beginn an intensiv mit einbezogen werden. Eine Lösung an ihr vorbei war definitiv ausgeschlossen, wie die Kirchenpflege betont. Allen Beteiligten war zudem klar, dass auch die Denkmalpflege ein gewichtiges Wörtchen mitzureden hat.
Sollte sich die Gemeinde für das Hotel entscheiden – geplant ist ein Familienhotel mit 64 Betten in 25 Zimmern – gibt es allerdings ein Problem mit der Denkmalpflege, denn das Gebäude steht – wie schon erwähnt – auf der Liste schützenswerter Bauten. Für eine Realisierung dieses Projekts müsste der Stadtrat die Kirche aus der Liste streichen.
Die Idee der „Kunstklangkirche“ möchte die Orgel als das wesentliche Instrument jeder Kirchenmusik in den Vordergrund stellen. Dazu sollen weitere Exemplare aus mehreren Epochen und unterschiedlichen Stilen installiert werden. Das Programm sieht kirchliche Veranstaltungen, Konzerte und Symposien vor.
Das dritte Projekt nennt sich „Wollishof“ und ist geplant als sozialer Treffpunkt für Events aus den Bereichen Kunst, Kultur und Wissenschaft sowie als Versuch, die Altersgruppe der 20- bis 50-jährigen Bevölkerung wieder näher an die Kirche heranzubringen.
Die Initiative für die Kirche „Auf der Egg“ berührt ein Problem, das viele Kirchenbauten betrifft: Sie werden zu wenig genutzt. Eine auf Betreiben der Landeskirchen und der Stadt Zürich eingesetzte Kommission hat im letzten Jahr die insgesamt 91 Sakralbauten der Stadt auf ihre Potenziale hin untersucht, kommt allerdings zu dem Schluss, mit Plänen für eine Umnutzung vorsichtig umzugehen und nicht zu schnell zu entscheiden.
Oberstes Bild: Neue Kirche in Zürich-Wollishofen, Ansicht von Südosten (Bild: Roland zh, Wikimedia, CC)