Neue Töne in alten Mauern - Kloster Rheinau wird zur Insel der Musik
VON Christiane Weber Denkmalpflege Kunst
Die Musikinsel soll am 24. Mai 2014 eröffnet werden. Man darf gespannt sein, wie sich die Verbindung von Denkmalpflege, Umbau und Neunutzung zu einem harmonischen Gesamtakkord entwickelt.
Raum für Musik in Klostermauern
Im ehemaligen Kloster Rheinau laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Das ist der Plan: Im Kloster Rheinau entstehen nach dem Umbau und der Sanierung 15 Proberäume und 63 Hotelzimmer. Möglich ist diese Neunutzung der Klostergebäude hauptsächlich durch die Initiative und das Engagement des Altbundesrates Christoph Blocher.
Ihn verbindet seine eigene Herkunft eng mit dem Kloster Rheinau, denn er wuchs nur vier Kilometer davon entfernt auf. Nachdem der Kanton Zürich jahrelang nach Ideen und Plänen für eine interessante und wenigstens teilweise kostendeckende Neunutzung gesucht hat, wurde Blocher jetzt aktiv. Er gründete die Stiftung „Schweizer Musikinsel Rheinau“. Den finanziellen Grundstock legte er selbst mit einem Beitrag in Höhe von 20 Millionen Franken aus seinem Privatvermögen. An der Finanzierung beteiligt sich der Kanton mit einem Kredit über 44 Millionen Franken.
Nach dem Umbau bietet das Kloster viel Raum für Chöre und Orchester. Das Musikzentrum wird Jugendlichen und Erwachsenen aus der ganzen Schweiz offen stehen. Wie Andreas Wegelin, der Vizepräsident des Schweizer Musikrates, berichtet, reagieren zahlreiche Musikverbände überaus positiv. Die ersten Buchungen liegen bereits vor. Zum Musikzentrum gehört ein einfacher Hotelbetrieb. Die zweckmässig ausgestatteten Zimmer sind zu einem moderaten Preis mietbar.
Für Musikschaffende wird sich das Kompetenzzentrum zu einem wichtigen Bestandteil der musikalischen Arbeit entwickeln. Für Konzertvorbereitungen, musikalische Wettbewerbe und Chorseminare gibt es damit einen Platz, an dem sich die Musikszene der Schweiz weiter entwickeln und entfalten kann. Neben den Proberäumen, die teilweise mit Instrumenten ausgestattet sind, stehen ein Chorprobensaal und ein Konzertsaal zur Verfügung.
Ausser dem Musikzentrum wird eine Hauswirtschaftsschule in das ehemalige Kloster Rheinau einziehen, des Weiteren ein Restaurant und ein Museum. Zwar ist damit noch längst nicht das gesamte Potenzial ausgeschöpft, denn es stehen über 600 Räume leer. Der Anfang ist jedoch gemacht. Die Zürcher Regierung zeigt sich ebenfalls sehr erfreut über die zukünftige Nutzung.
Ein Blick zurück in die Geschichte
Das Kloster Rheinau kann auf eine lange und bewegte Geschichte zurückblicken. Geografisch liegt die Rheininsel günstig: Sie wird von einer Rheinschlaufe umgeben und ist über die alte Rheinbrücke Rheinau-Altenau erreichbar. Die Gründung des Benediktinerklosters wird auf das Jahr 778 datiert, die Nutzung als Kloster reicht bis ins Jahr 1862, dann wurde die Klosternutzung aufgehoben. Fünf Jahre später begann ein dunkles Kapitel in der Klostergeschichte. Ab dem Jahr 1867 war in den ehemaligen Klosterräumen eine psychiatrische Einrichtung untergebracht. Davon zeugen auch heute noch Spuren, die einen bewegenden Einblick in die damaligen Verhältnisse geben.
Bestandsaufnahme: Spuren der Psychiatrie
In den ehemaligen Mönchszellen waren die Patienten untergebracht. Funktionalität war wichtiger als Ästhetik. Dies wird besonders deutlich, wenn man den sogenannten Wolffschen Trakt besichtigt, der in den sechziger Jahren geschlossen wurde. Dieser Gebäudeteil ist – wohl absichtlich – dunkel gestrichen, die düstere Atmosphäre ist auch heute noch spürbar.
Tobsuchtszellen und alte Badewannen für Schocktherapien sprechen eine deutliche Sprache, wie früher mit psychisch erkrankten Menschen umgegangen wurde. Inge Stutz, die Präsidentin der Arbeitsgemeinschaft „Pro Insel Rheinau“, klärt darüber auf, dass 450 teilweise schwerst psychisch erkrankte Menschen in der Rheinau gelebt haben. Zu Zeiten, in denen es weder Psychopharmaka noch fundierte Erkenntnisse in der psychiatrischen Behandlung gab, wurden diese Menschen von 18 Wärtern und einem einzigen Arzt „betreut“.
Vielleicht ist die neue Nutzung eine kleine Wiedergutmachung an dem, was in der Vergangenheit mit psychisch kranken Menschen geschehen ist. Musik kann Erkrankungen der Seele und der Psyche lindern oder sogar heilen – der Brückenschlag zwischen dunkler Vergangenheit und neuem musikalischem Leben kann zwar nichts ungeschehen machen, aber vielleicht doch einen Beitrag zur Versöhnung leisten.
Gute Aussichten für ein schützenswertes Bauwerk
Laut einer Aussage der kantonalen Denkmalpflege ist der vollständige Rückbau des maroden Kliniktrakts nur wenig sinnvoll. Aus diesem Grund können Neuerungen wie beispielsweise das Entfernen von Zwischenwänden umgesetzt werden. Die alte Anstaltsküche, die im grossen Kreuzgang eingebaut war, soll abgebrochen werden, so Denkmalpfleger Beat Eberschweiler.
Erhalten und saniert werden dagegen die Stuckdecken und weitere schützenswerte Elemente der Klostergebäude. Für den zukünftigen Hotelbetrieb ist die Ausstattung der Zimmer mit einfachen und zweckmässigen Möbeln geplant. Nicht gespart wird am musikalischen Equipment. Geschäftsführer Thomas Held hat einen renommierten Bühnenplaner engagiert. Die akustischen Voraussetzungen dürften jedenfalls den Erwartungen der Musikschaffenden entsprechen. Geplant sind auch mobile Trennwände, die zusätzlich für eine gute Akustik sorgen. Dass die Nutzung von Klostergebäuden ideal für musikalische Seminare und Workshops ist, hat sich schliesslich auch schon andernorts gezeigt. Ein gutes Beispiel ausserhalb der Schweiz ist das Kloster Ochsenhausen in Bayern.
Für das ehemalige Kloster Rheinau im Kanton Zürich sind die Prognosen günstig. Altbundesrat Blocher weiss zwar, dass der Betrieb des Musikhotels nicht selbsttragend ist. Er nennt einen Zeitraum von mindestens zehn Jahren, währenddessen das Geld der Stiftung ausreicht. Sein abschliessendes Resümee: „Wenn alles schief geht, ist wenigstens das Kloster renoviert.“
Oberstes Bild: Florian.Arnd / Wikimedia / Public Domain