Die Berner Altstadt

Seit 1983, also seit drei Jahrzehnten, steht die Altstadt von Bern bereits auf der Liste des UNESCO Weltkulturerbes. Es ist deshalb auch kein Wunder, dass die Denkmalpflege sich ihr mit besonderer Sorgfalt widmet. Schliesslich dokumentiert die Altstadt die über Jahrhunderte gewachsene, bauliche Entwicklung auf der Basis des mittelalterlichen Grundrisses, der bis in die Gegenwart Bestand hat.

Die Denkmalpflege sieht sich selbst als Begleiter der Menschen, die in der Berner Altstadt leben und arbeiten, und will mit ihren Anstrengungen verhindern, dass das Quartier museumsartige Züge annimmt oder zur blossen Kulisse verkommt.

Die Untere und die Obere Altstadt unterliegen verschiedenen Schutzbestimmungen. Während die Untere Altstadt – das Gebiet zwischen Matte und Zytglogge – als ganze geschützt ist, gibt es in der Oberen Altstadt – zwischen Zytglogge und Bollwerk-Hirschgraben – zwei Gruppen von Gebäuden. Einige inventarisierte Bauten unterstehen den gleichen Bedingungen wie die Untere Altstadt, für die anderen gelten detaillierte Einzelvorschriften.

Werfen wir einen Blick zurück. Erste Besiedlungen im Berner Stadtgebiet gab es bereits in vorgeschichtlicher Zeit. Später folgten Kelten, Römer und schliesslich Germanen. Die Gründung der Stadt erfolgte 1191 durch den Herzog Berchtold V. aus dem schwäbischen Adelsgeschlecht der Zähringer, der damit ein Bollwerk gegen mögliche Feinde aus dem Westen schaffen wollte. Die Legende berichtet von dem Befehl Berchtolds, die Siedlung nach dem ersten dort erlegten Tier zu benennen. So kam die Schweizer Hauptstadt über einen toten Bären zu ihrem Namen. Der kreisförmige Bärengraben, wo die Tiere ab dem 16. Jahrhundert sogar gezüchtet wurden, gibt bis heute Zeugnis über das Wappentier Berns.

Die Altstadt wurde bewusst auf der Aare-Halbinsel errichtet, denn der Fluss bot auf drei Seiten einen natürlichen Schutz. Die vierte Seite erhielt eine Mauer samt Wehrturm und einem vorgelagerten Graben. Wie andere Stadtgründungen der Zähringer (z.B. Solothurn, Thun und Rheinfelden in der Schweiz oder Freiburg und Bräunlingen in Deutschland) weist Bern einige charakteristische Merkmale auf: breite Strassen für das Marktgeschehen statt eines zentralen Platzes, eine ausgefeilte Infrastruktur für die Wasserver- und entsorgung sowie eine rechtwinklige Strassenführung, die eine Parzellierung in gleich grosse Grundstücke ermöglichte.


Aus der Luft betrachtet wird der Halbinsel-Charakter der Berner Altstadt deutlich. (Bild: Reaast / Wikimedia / Public Domain)


Als das Zähringer-Geschlecht im Jahr 1218 ausstirbt, wird Bern zu seinem Vorteil direkt dem Kaiser unterstellt. Privilegien wie die Selbstverwaltung, eine eigene Gerichtsbarkeit und ein eigener Markt tragen dazu bei, dass Bern sich zum grössten und mächtigsten Stadtstaat nördlich der Alpen entwickelt und dies bis 1798 bleibt. Der weitere Ausbau vor allem in westlicher Richtung lässt im Laufe der Zeit ein Gesamtbild entstehen, das bis heute zu den prächtigsten Zeugnissen des mittelalterlichen europäischen Städtebaus gilt.

1405 wurde die Altstadt, die damals aus Holzhäusern bestand, durch ein Grossfeuer fast vollständig vernichtet. Mehr als 600 Gebäude brannten ab, über 100 Menschen starben in den Flammen. Die Ursache für das Feuer wurde niemals aufgeklärt. Der Wiederaufbau erfolgte auf Verordnung der Stadtoberen hin ausschliesslich in Sandstein, dessen graugrüne Farbe das Stadtbild bis in die Gegenwart prägt. Damals entdeckte man auch die Vorzüge von Laubengängen, die Häuser wurden entsprechend vergrössert, Strassen und Gassen verkleinert. Die Fortführung dieser Tradition sorgte dafür, dass Bern heute mit seinen sechs Kilometer langen Arkaden die längste überdachte Einkaufsstrasse Europas besitzt.

Im Zuge des Wiederaufbaus wurde ab 1406 das Rathaus errichtet und 1421 auch der Grundstein für das Berner Münster gelegt, einem der Wahrzeichen und besonderen Sehenswürdigkeiten in der Berner Altstadt. Ungefähr ab 1550 entstanden die ersten prächtigen Brunnen im Renaissance-Stil nach dem Vorbild süddeutscher Städte. 1848 schliesslich wählte das erste Schweizer Gesamtparlament Bern zur Bundeshauptstadt, als dessen architektonischer Ausdruck das 1894 bis 1902 erbaute Bundeshaus nach florentinischer Renaissance-Manier gilt.

Im 19. Jahrhundert wuchs die Stadt über die Aare-Halbinsel hinaus. Hatte es bis dahin nur die Untertorbrücke gegeben, wurde nun der Bau weiterer Brücken erforderlich, um die verschiedenen Stadtteile zu verbinden. Der erste Neubau war die Nydeggbrücke, in den späteren Jahren die Rote, die Kirchenfeld- und die Kornhausbrücke. Weitere Zugangserleichterungen brachten neues Leben ins Zentrum, im Jahr 1858 wurde schliesslich der erste Bahnhof Berns eingeweiht. Ein grosser Teil der wohlhabenden Bevölkerung verliess im Zuge dieser Entwicklung die Altstadt und siedelte sich im Kirchenfeld an, auf der Halbinsel entstanden neue Arbeiterquartiere.


Die Nydeggbrücke. (Bild: krol:k / Wikimedia / CC)


Seit den 1950er Jahren bis in die Gegenwart gab es kaum noch gravierende Veränderungen. Im November 1967 wurden die drei Strassennamen Kirchgasse, Kesslergasse und Münsterplatz zur Münstergasse zusammengelegt, 1983 erlangte die Altstadt den Titel eines UNESCO-Welterbes. In der Begründung hiess es damals, dass Bern trotz aller Veränderungen über die Jahrhunderte ein positives Beispiel dafür sei, wie eine Stadt die mittelalterliche Struktur bewahren und sich trotzdem den Anforderungen an komplexere Funktionen der Neuzeit sowie an die Aufgaben der Kapitale eines modernen Staates anzupassen vermag.

Ein ausgedehntes und komplexes Areal wie die Berner Altstadt ist eine grosse Herausforderung für die Denkmalpflege. Sie muss immer wieder den Spagat zwischen dem Erhalt des Alten und den Anforderungen des modernen Lebens bestehen und beiden Seiten gerecht werden. Bisher ist die Denkmalpflege diesem Anspruch gerecht geworden.

 

Oberstes Bild: Die Berner Altstadt, von Osten gesehen. (Bild: Sowen / Wikimedia / Public Domain)

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Mehr zu Ulrich Beck

hat Germanistik, Geschichte und Philosophie studiert und ist zusätzlich ausgebildeter Mediendesigner im Segment Druck. Er schreibt seit über 30 Jahren belletristische Texte und seit rund zwei Jahrzehnten für Auftraggeber aus den unterschiedlichsten Branchen.

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