Tre Castelli in Bellinzona

Sie sind die einzigen verbliebenen Zeugnisse mittelalterlicher militärischer Architektur im gesamten Alpenraum – die drei Burgen oder Tre Castelli von Bellinzona im Kanton Tessin, Castelgrande, Castello di Montebello und Castello di Sasso Corbaro. Die Anlage ist nicht nur ein Kulturgut von nationaler Bedeutung und damit ein besonderes Beispiel schweizerischer Denkmalpflege. Zusammen mit der Stadtmauer und der Wehrmauer Murata wurde das gesamte Ensemble im Jahr 2000 auch in die Liste des UNESCO Weltkulturerbes aufgenommen.

Das heutige Aussehen erhielten die Burgen und Mauern im 15. Jahrhundert. Mit ihrer Errichtung sollte einerseits das Tal des Ticino abgesperrt, andererseits der Zugang zu den nahen Alpenpässen Gotthard, San Bernadino, Nufenen und Lukmanier kontrolliert werden. Alle entsprechenden Routen bündeln sich in Bellinzona. Der weit in die Flussebene reichende Felsrücken liess nur zwei Durchgänge offen. Mit dem Castelgrande über der Altstadt und Montebello sowie Sasso Corbaro an der östlichen Talseite liessen sich beide Wege abriegeln.

Die ersten Belege für eine Besiedlung der Region Bellinzona stammen aus dem 4. Jahrtausend v. Chr. Kurz vor der Zeitenwende erbauten die Römer dort ein Castell zur Absicherung ihrer Alpenfeldzüge. Nach dem Zusammenbruch Westroms beherrschten ab etwa 500 die Ostgoten das Gebiet, danach die Langobarden. In den folgenden Jahrhunderten wechselte die Stadt mehrfach ihren Besitzer. Sie gehörte nacheinander zum Fränkischen Reich, zum Bistum Como, zu den Staufern und schliesslich zu den Guelfen aus Mailand, die in den Jahren 1478 und 1479 erst die Festung verstärkten und das Castello di Sasso Corbaro anlegten, einige Jahre später dann die Murata neu bauten.

Im Zuge der italienischen Kriege gelangte Bellinzona 1500 in den Besitz der Eidgenossen. Danach verloren sie ihre militärische und strategische Bedeutung. Die Besatzung war nur noch minimal, die Bewaffnung mit Artillerie völlig veraltet, die Bausubstanz verfiel mehr und mehr. Nach der Neugründung des Kantons Tessin gehörte Bellinzona ab 1803 zu dessen Gebiet. Erste Ansätze der Denkmalpflege zum Erhalt der Burgen und Befestigungen gab es seit 1900. Die Pläne zur Sicherung und Wiederherstellung wurden schliesslich in zwei Phasen zwischen 1920 und 1955 sowie 1986 bis 2006 umgesetzt. Im Dezember 2000 nahm die UNESCO das Ensemble dann wegen seiner herausragenden Bedeutung als mittelalterliche Wehranlage in die Liste des Weltkulturerbes auf.


Imposant erhebt sich das Castelgrande vor der Tessiner Bergwelt. (Bild: Zairon / Wikimedia / CC)


Castelgrande

Als Zentrum der Wehranlage thront das Castelgrande über der Altstadt von Bellinzona. Seine Grundfläche beträgt rund 200 mal 150 Meter. An der Nordseite ist das Gelände von einer Felswand geschützt. In das heute weitläufige Innere gelangt man von Süden. Fundamentreste belegen aber, dass die Burg früher wesentlich dichter bebaut war. In voller Pracht sind heute noch das Ridotto und die beiden Türme Torre Bianco und Torre Nera zu sehen, der eine 27 Meter, der andere 28 Meter hoch. Die Räume im Zeughaus und im südlichen Trakt werden zum Teil für Ausstellungen genutzt.

Bis kurz vor Ende des 13. Jahrhunderts war Castelgrande die einzige Befestigung im Ort, deshalb hiess sie auch schlicht „Burg von Bellinzona“. Später wechselten die Bezeichnungen von Castello vecchio über Castello d’Uri und Castello San Michele zum heutigen Namen. Die vorhandenen Gebäude stammen aus der Zeit von 1250 bis 1500 und wurden mit dem ganzen Hügel in der zweiten Phase der Gesamtrestaurierung, zwischen 1982 und 2000, komplett saniert

Castello di Montebello

In der zeitlichen Reihenfolge entstand als zweite Burg gegen Ende des 13. Jahrhunderts das Castello di Montebello. Auch dessen Bezeichnungen wechselten mehrfach: Castello piccolo, Castello nuovo, Castello mezzo (nach Errichtung der dritten Burg), Castello di Svitto (ab 1506) und Castello San Martino (ab 1818). In alten Urkunden taucht Montebello erstmals um 1313 auf.


Das Castello di Montebello. (Bild: Clemensfranz / Wikimedia / CC)


Da die Burg auf einem relativ ungeschützten Hügel liegt, wurden ringsherum tiefe Gräben zur weiteren Absicherung ausgehoben. In dem erhaltenen Hauptturm befindet sich heute das städtische Museum von Bellinzona, in dem archäologische Fundstücke aus der Stadt und der Region ausgestellt sind.

Castello di Sasso Corbaro

Die jüngste der drei Burgen wurde zwischen 1479 und 1482 errichtet. Im Gegensatz zu den beiden anderen hat sie keine Verbindung zu den Befestigungsanlagen, sondern steht isoliert auf einem Felsblock. Nachdem Bellinzona in Schweizer Besitz übergegangen war, hiess die Burg Castello di Unterwalden, ab 1818 Castello Santa Barbara. Erhalten sind noch der Haupt- und ein Wachturm, darüber hinaus ein herrschaftlicher Saal aus dem 17. Jahrhundert im Barockstil.


Wunderschön in die Landschaft eingebettet ist das Castello di Sasso Corbaro. (Bild: Vale-B*Girl / Wikimedia / CC)


Murata

Abschliessend sei noch die mächtige Doppelmauer Murata erwähnt, die ursprünglich vom Castelgrande aus Richtung Westen bis zum Ufer des Ticino reichte. Die erste Mauer wurde 1422 gebaut, 1478 aber wieder abgerissen und durch eine neue ersetzt. 1515 zerstörte ein Hochwasser weite Teile der Murata, im 19. Jahrhundert wurden ihre Tore geschleift.

Dank den umfassenden Bemühungen der Denkmalpflege gewähren die Tre Castelli uns heute einen tiefen Einblick in die mittelalterliche Befestigungstechnik und das Alltagsleben innerhalb der Burg.

 

Titelbild: Turm des Castello di Sasso Corbaro. (Clemensfranz / Wikimedia / CC)

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Mehr zu Ulrich Beck

hat Germanistik, Geschichte und Philosophie studiert und ist zusätzlich ausgebildeter Mediendesigner im Segment Druck. Er schreibt seit über 30 Jahren belletristische Texte und seit rund zwei Jahrzehnten für Auftraggeber aus den unterschiedlichsten Branchen.

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